LfSt Bayern v. 23.3.2011, S 0127.2.1 - 7/1 St 42
1. Allgemeines
Geht die örtliche Zuständigkeit für die Besteuerung durch eine Änderung der sie begründenden Umstände von einem FA auf ein anderes FA über, tritt ein Wechsel in der Zuständigkeit erst in dem Zeitpunkt ein, in dem eines der betroffenen Finanzämter von dem Zuständigkeitswechsel erfährt (§ 26 Satz 1 AO) und kein Grund vorliegt, der den Wechsel der Zuständigkeit gesetzlich ausschließt (§ 26 Satz 3 AO). Ein Steuerpflichtiger kann sich auf eine veränderte örtliche Zuständigkeit der Finanzämter nicht berufen, solange die die Zuständigkeit verändernden Umstände keinem der betroffenen Finanzämter zweifelsfrei bekannt geworden sind (BFH-Urteil vom 25.1.1989, X R 158/87, BStBl 1989 II S. 483).
Tritt ein Zuständigkeitswechsel ein, hat das neu zuständig gewordene FA die Besteuerung in vollem Umfange zu übernehmen. Es hat sowohl die unerledigten Veranlagungen durchzuführen als auch die Kassengeschäfte zum Stand des Zuständigkeitswechsels zu übernehmen. Erforderlichenfalls hat es auch Vollstreckungsmaßnahmen wegen Abgabenrückständen aus der Zeit vor Eintritt des Zuständigkeitswechsels vorzunehmen bzw. fortzuführen, weil die Zuständigkeit für die Besteuerung auch die Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen umfasst; bei Erstattung von Guthaben vgl. Karte 6 zu § 26 AO.
Die Übernahme der Besteuerung kann daher nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass
- Steuererklärungen unbearbeitet und Veranlagungen noch nicht durchgeführt sind,
- die persönliche und/oder sachliche Steuerpflicht zwischenzeitlich erloschen ist (bei Umwandlung/ Verschmelzung und verstorbenen natürlichen Personen vgl. Karte 2 und 3 zu § 26 AO),
- die Steuerpflicht zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht gewechselt hat (vgl. Karte 4 zu § 26 AO)
- über Anträge des Steuerpflichtigen (z.B. auf Erlass von Steuerschulden) noch nicht entschieden ist oder
- der Steuerpflichtige mit der Zahlung fälliger Steuern rückständig ist, auch wenn keine Steuererklärungspflicht mangels keiner/geringer Einkünfte mehr besteht.
Auch ein anhängiges Einspruchsverfahren hindert die Übernahme der Besteuerung durch das neu zuständig gewordene FA nicht, da nach § 367 Abs. 1 Satz 2 AO jeder nach Erlass des Verwaltungsakts eingetretene Zuständigkeitswechsel auch eine Zuständigkeitsänderung im Einspruchsverfahren bewirkt (Hinweis auf AEAO zu § 367, Nr. 1). Die Rechtsbehelfsvorgänge sind daher mit den übrigen Akten abzugeben.
Zum Wechsel der örtlichen Zuständigkeit während eines finanzgerichtlichen Verfahrens siehe Vorkarte 1 zur FGO, Tz. 1.5.
2. Fortführung des Verfahrens nach § 26 Satz 2 AO
Nach § 26 Satz 2 AO kann das bisher zuständige FA ein bereits begonnenes Verwaltungsverfahren – trotz eines zwischenzeitlich eingetretenen Zuständigkeitswechsels – fortführen, wenn dies unter Wahrung der Interessen des Steuerpflichtigen der einfachen und zweckmäßigen Durchführung des Verfahrens dient und das nunmehr zuständige FA zustimmt. Eine entsprechende Vereinbarung zwischen den beteiligten Finanzämtern kann sich stets nur auf einzelne, im Zeitpunkt des Zuständigkeitswechsels anhängige Verwaltungsverfahren beziehen, nicht jedoch auf die örtliche Zuständigkeit für die Besteuerung insgesamt (insoweit Hinweis auf § 27 AO).
Als Verwaltungsverfahren im Sinne des § 26 Satz 2 AO ist insbesondere das einzelne Besteuerungsverfahren anzusehen, das im Allgemeinen mit der Aufforderung zur Abgabe der Steuererklärung oder der Abgabe der Steuererklärung beginnt und mit der erforderlichenfalls im Vollstreckungswege durchzuführenden Verwirklichung des Anspruchs (Einziehung bzw. Erstattung der Steuer) endet, einschließlich eines etwaigen Einspruchsverfahrens. Dabei ist jede Steuerart und jeder Veranlagungszeitraum gesondert zu betrachten.
Vereinbarungen nach § 26 Satz 2 AO können insbesondere zweckmäßig sein, wenn
- der Steuerpflichtige die Fortführung des Verfahrens durch das bisher zuständige FA beantragt und dafür wichtige Gründe anführt,
- die Bearbeitung eines Falles bereits kurz vor dem Abschluss steht oder
- eine Außenprüfung stattgefunden hat und der Prüfungsbericht noch nicht ausgewertet ist.
Eine Vereinbarung nach § 26 Satz 2 AO bedarf zwar nicht der Zustimmung des betroffenen Steuerpflichtigen, jedoch sind seine Interessen angemessen zu berücksichtigen. Von der Fortführung des Verwaltungsverfahrens durch das bisher zuständige FA ist er in Kenntnis zu setzen.
3. Hinweis auf die Bestimmungen der BuchO
Bei der Abgabe bzw. Übernahme von Steuerfällen/Akten sind die Bestimmungen der §§ 86 ff BuchO einzuhalten. Vgl. hierzu auch die gleichlautenden Verfügungen der OFD Nürnberg vom 30.1.2001, O 2206 – 6/St 11 und der OFD München vom 19.3.2001, O 2206 – 35 St 114 (AIS: Themen > Organisation > Amtsorganisation > BuchO).
Normenkette
AO 1977 § 26