Leitsatz
Als Krankheitskosten werden nur Aufwendungen berücksichtigt, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglich zu machen. Nach § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV ist der Nachweis der Zwangsläufigkeit durch ein vor Beginn der Heilmaßnahmen ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine ärztl. Bescheinigung eines MDK zu führen.
Sachverhalt
Das FA hat die Aufwendungen der Kläger für die vollstationäre Unterbringung ihrer Tochter in einer Einrichtung der Jugendhilfe nicht als außergewöhnliche Belastungen (a. g. B.) i. S. d. § 33 EStG anerkannt, da die Aufwendungen mangels ausreichender Nachweise nicht als a. g. B. anzuerkennen seien. § 33 Abs. 4 EStG i. V. m. § 64 Abs. 1 Nr. 2c EStDV verlange zum Nachweis ein vor Beginn der Heilmaßnahme ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines medizinischen Dienstes der Krankenversicherung. Mit ihrer Klage machen die Kläger geltend, dass die Auffassung des FA unzutreffend sei, weil die o. a. gesetzliche Regelung in zeitlicher Hinsicht nicht anzuwenden sei. Zwar bestimme § 84 Abs. 3f EStDV die Anwendung in allen noch offenen Fällen. Diese Bestimmung verstoße jedoch - soweit Veranlagungszeiträume vor 2011 betroffen seien - gegen das Rückwirkungsverbot.
Entscheidung
Die in § 84 Abs. 3f EStDV i. d. F. des StVereinfG 2011 angeordnete rückwirkende Geltung des § 64 EStDV ist unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden. Sie ist von der Ermächtigung des § 33 Abs. 4 EStG i. d. F. des StVereinfG 2011 gedeckt und deshalb im Hinblick auf Art. 80 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich unbedenklich. Art. 80 Abs. 1 GG verwehrt dem Gesetzgeber nicht, Ermächtigungen zum Erlass rückwirkender Verordnungen zu erteilen, noch gebietet er, dass eine solche Ermächtigung ausdrücklich erteilt wird. Es reicht hin, wenn sich die Ermächtigung dazu aus dem Sinn und Zweck des Gesetzes ergibt. Davon ist im Streitfall auszugehen. Denn der Gesetzgeber wollte mit der Anwendungsregelung sicherstellen, dass die vor den Entscheidungen des BFH in BFHE 232, 34, BStBl 2011 II S. 966 und in BFHE 232, 40, BStBl 2011 II S. 969 geübte Rechtspraxis ohne zeitliche Lücke aufrechterhalten wird.
Hinweis
In dem Revisionsverfahren VI R 31/14 muss der BFH die Fragen klären, ob die Regelung des § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1c EStDV auch die vollstationäre Unterbringung verhaltensauffälliger Jugendlicher in einer Einrichtung der Jugendhilfe umfasst, und ob die rückwirkende Anwendung von § 33 Abs. 4 EStG i. V. m. § 64 EStDV i. d. F. des StVereinfG 2011 im Veranlagungszeitraum 2009 und 2010 mit dem GG vereinbar ist.
Link zur Entscheidung
Niedersächsisches FG, Urteil vom 27.11.2013, 7 K 69/12