rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Zwischenurteil über die Rechtmäßigkeit einer Zeugnisverweigerung möglich. kein Zeugnisverweigerungsrecht eines Bankmitarbeiters bei Verzicht des betroffenen Kunden auf die Wahrung des Bankgeheimnisses

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Verweigert ein Zeuge nach Belehrung über ein Zeugnisverweigerungsrecht das Zeugnis, kann das Gericht über die Rechtmäßigkeit der Weigerung durch Zwischenurteil entscheiden. Beteiligte dieses Zwischenverfahrens sind die Beteiligten des Hauptprozesses sowie der Zeuge als Nebenbeteiligter. Das Urteil ergeht sowohl gegen die Beteiligten des Hauptprozesses als auch gegen den Zeugen.

2. Der Gesetzgeber hat auf eine Übernahme der zivilprozessualen Zeugnisverweigerungsrechte für das finanzgerichtliche Verfahren verzichtet. Damit unterscheiden sich die Zeugnisverweigerungsrechte im Zivilprozess einerseits und im finanzgerichtlichen Prozess andererseits.

3. Das Zeugnisverweigerungsrecht eines Bankmitarbeiters nach § 103 AO im Hinblick auf eine mögliche Verletzung des Bankgeheimnisses ist ausgeschlossen, wenn der betroffene Bankkunde auf Nachfrage des Gerichts während der Zeugenvernehmung zu Protokoll erklärt hat, dass er auf die Wahrung des Bankgeheimnisses verzichte.

4. Das Bankgeheimnis hat nur eine Schutzrichtung, nämlich die Angaben der Kunden vertraulich zu behandeln. Möglicherweise daneben bestehende Interessen der Banken werden durch das Bankgeheimnis nicht geschützt.

 

Normenkette

FGO § 82; ZPO § 387; AO § 103

 

Tenor

Die Weigerung der Zeugin B., Zeugnis abzulegen, ist unrechtmäßig.

Die Kosten des Zwischenverfahrens hat die Zeugin B. zu tragen.

Die Beschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin ist Alleinerbin der am 16. Januar 2012 in Magdeburg verstorbenen Frau C. (Verstorbene). Die Verstorbene unterhielt bis zu ihrem Tode Geschäftsbeziehungen zur …bank. Die Zeugin war Mitarbeiterin der …bank und für die Betreuung der Verstorbenen zuständig.

In der mündlichen Verhandlung wurde die Zeugin zu dem Inhalt von Gesprächen befragt, die sie mit der Verstorbenen im Beisein der Klägerin geführt hatte. Nachdem die Zeugin hierzu ausgesagt hatte, wurde sie zum Inhalt von Beratungsgesprächen befragt, die sie mit der Verstorbenen allein geführt hatte. Nach kurzer Bedenkzeit verweigerte die Zeugin das Zeugnis unter Berufung auf das Bankgeheimnis. Auch nachdem die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der Verstorbenen zu Protokoll erklärt hatte, die Zeugin vom Bankgeheimnis zu befreien, sah sich die Klägerin gehindert, auszusagen. Die Verhandlung wurde daraufhin unterbrochen, um der Zeugin Gelegenheit zu geben, die Personalabteilung ihres Arbeitgebers zu kontaktieren. Diese bestärkte die Klägerin in ihrer Haltung, wegen des Bankgeheimnisses das Zeugnis zu verweigern.

Die Klägerin und der Beklagte erklärten in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll, dass sie die Zeugnisverweigerung der Zeugin B. für unberechtigt halten.

 

Entscheidungsgründe

Die Zeugnisverweigerung ist unrechtmäßig. Die Zeugin B. war nicht befugt, unter Berufung auf das Bankgeheimnis die Aussage zu verweigern.

Im Einzelnen:

Nach § 81 Abs. 1 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht Beweis erheben durch die Vernehmung von Zeugen. Nach § 84 FGO i.V.m. §§ 101 bis 103 Abgabenordnung (AO) steht den Zeugen ein Zeugnisverweigerungsrecht zu. Sie sind hierüber zu belehren.

Verweigert ein Zeuge nach Belehrung das Zeugnis, kann das Gericht über die Rechtmäßigkeit der Weigerung gem. § 82 FGO i.Vm. § 387 der Zivilprozessordnung (ZPO) durch Zwischenurteil entscheiden. Beteiligte dieses Zwischenverfahrens sind die Beteiligten des Hauptprozesses, d.h. die Klägerin und der Beklagte, sowie die Zeugin als Nebenbeteiligte (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 17. März 1997, VIII B 41/96, BFH/NV 1997, 736). Das Urteil ergeht sowohl gegen die Beteiligten des Hauptprozesses als auch gegen den Zeugen (vgl. BFH-Beschluss vom 17. März 1997, VIII B 41/96, BFH/NV 1997, 736 Rz. 24).

Da die Zeugin mit keinem der Beteiligten verwandt oder verschwägert ist, kommt ein Zeugnisverweigerungsrecht gem. § 101 AO nicht in Betracht.

Der Zeugin steht auch kein Zeugnisverweigerungsrecht gem. § 102 AO zu. Der Katalog des in § 102 AO genannten Personenkreises ist abschließend. Die Zeugin gehört nicht dazu. Die Zeugin kann sich als Rechtsgrundlage für das Zeugnisverweigerungsrecht auch nicht auf § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO berufen, denn der Gesetzgeber hat auf eine Übernahme der zivilprozessualen Zeugnisverweigerungsrechte für das finanzgerichtliche Verfahren verzichtet. Damit unterscheiden sich die Zeugnisverweigerungsrechte im Zivilprozess einerseits und dem finanzgerichtlichen Prozess andererseits (vgl. auch BFH-Beschluss vom 21. Dezember 1992 XI B 55/92, BStBl II 1993, 451).

Die Zeugin kann sich schließlich auch nicht auf § 103 AO berufen. Danach kommt ein Zeugnisverweigerungsrecht nur in Betracht, wenn sich der Zeuge durch seine Aussage einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit schuldig macht. Dies ist nach Auffassung des Gerichts berei...

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