Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirtschaftliches Eigentum an einem Grundstück durch Kaufoption. keine Nichtigkeit des Einheitswertbescheids bei fehlerhafter Zurechnung infolge vertretbarer Annahme wirtschaftlichen Eigentums des Optionsberechtigten. geänderte Sachverhaltswürdigung ist keine neue Tatsache

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Zur Erlangung einer eigentümergleichen Verfügungsmacht über ein Grundstück reicht die Vereinbarung eines Kaufoptionsrechts nur dann aus, wenn nach dem typischen und für die wirtschaftliche Beurteilung maßgeblichen Geschehensablauf tatsächlich mit einer Ausübung des Optionsrechts gerechnet werden kann.

2. Ein Einheitswertbescheid, der das Grundstück dem Optionsberechtigten zurechnet, der das Optionsrecht nach mehrmaliger Verlängerung letztlich nicht ausgeübt hat, ist nicht nichtig, wenn sich die Annahme wirtschaftlichen Eigentums des Optionsberechtigten zwar als fehlerhaft, jedoch nicht als völlig fernliegend erweist.

3. Eine geänderte Betrachtung des Sachverhalts und dessen neue Würdigung, deren Ergebnis das fehlende wirtschaftliche Eigentum des Optionsberechtigten ist, kann keine Durchbrechung der Bestandskraft des Einheitswertbescheids auf der Grundlage von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO rechtfertigen.

 

Normenkette

BewG § 22; AO § 125 Abs. 1-2, § 124 Abs. 3, § 39 Abs. 2 Nr. 1, § 173 Abs. 1 Nr. 2

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 20.07.2015; Aktenzeichen II B 71/14)

 

Tenor

Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte zu 50%. Im Übrigen trägt sie die Klägerin.

Dem Beigeladenen werden keine Kosten auferlegt oder erstattet.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit leistet.

 

Tatbestand

Der Rechtsstreit betrifft die Frage der Berichtigung einer bestandskräftigen Zurechnung von Grundbesitz, die sich als unzutreffend erwiesen hat.

Die Klägerin wurde im Jahr 1996 mit Sitz in X. unter der Firma Y-GmbH errichtet. Im Jahr 2000 hat sie ihren Sitz nach Z. verlegt, wodurch die örtliche Zuständigkeit des Finanzamts A. begründet wurde. Zwei Jahre danach firmierte die Klägerin um und verlegte ihren Sitz nach S in den örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagten. Gegenstand ihres Unternehmens ist der An- und Verkauf von Grundstücken und Immobilien aller Art und Projektentwicklung, insbesondere die Verwaltung der Liegenschaften der Beigeladenen bis zu deren Verwertung. Die Klägerin unterhält ihren Gewerbebetrieb auf dem ehemaligen Werksgelände der Beigeladenen in S. Letztere ist nicht mehr Eigentümerin des betreffenden Betriebsgrundstücks.

Am 1. August 2002 wurden der Klägerin dieses Grundstücks im Hinblick auf einen noch abzuschließenden Kaufvertrag übergeben. Gleichzeitig wurde vereinbart, dass Besitz, Nutzungen und die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung, alle öffentlichen und privaten Lasten, insbesondere Versicherungen und die Grundsteuer sowie die Verkehrssicherungspflicht auf die Klägerin übergehen. Mit notariellem Vertrag vom 22. August 2002 räumte die Beigeladene der Klägerin für die Grundstücke ein befristetes Ankaufsrecht ein, das mehrfach, zuletzt bis zum 31. Dezember 2013, verlängert und durch eine Auflassungsvormerkung abgesichert wurde. Nachdem das Grundstück geteilt und veräußert wurde, erlosch das Ankaufsrecht.

Am 16. September 2002 schlossen die Vertragsparteien einen Verwertervertrag, durch den die Klägerin das Recht erhielt, die maßgeblichen Grundstücke zu vermieten und zu veräußern. Der Vertrag enthielt auch eine Bestimmung über die Verwendung von aufgrund der Verwertung eingehenden Zahlungen.

Am 18. März 2003 erließ der Beklagte gegenüber der Klägerin einen Einheitswertbescheid zur Zurechnungsfortschreibung auf den 1. Januar 2003. Darin wurde festgestellt, dass die Klägerin Eigentümerin des Geschäftsgrundstücks in Bliesen sei und der Einheitswert „wie bisher” …– EUR (…– DM) betrage. In dem Bescheid wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der bereits festgestellte Einheitswert unberührt bleibe und ein Rechtsbehelf nur insoweit zulässig sei, als er sich nicht gegen die Höhe des Einheitswertes richtet. Im Grundbuch war hingegen weiterhin die Beigeladene als Eigentümerin eingetragen.

Hiergegen legte die Klägerin am 17. April 2003 Einspruch ein. Diesen begründete die Klägerin ausdrücklich nur damit, dass eine Wertfortschreibung geboten sei. Der Beklagte erachtete den Einspruch zwar als unzulässig, half dem Wertfortschreibungsbegehren nach Durchführung eines Ortstermins aber ab und erließ am 27. November 2003 einen entsprechend geänderten Einheitswertbescheid auf den 1. Januar 2003. Das Einspruchsverfahren betrachtete er damit als erledigt. Die Klägerin äußerte sich dazu nicht mehr.

Am 22. Februar 2006 beantragte die Klägerin „die Berichtigung des Einheitswertbescheids” im Hinblick darauf, dass nicht sie, sondern weiterhin die Beigeladene Eigentümerin des fraglichen Grundstücks sei. Mit Schreiben vom 30. Mär...

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