rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
„Beratungsstellenleiter eines Lohnsteuerhilfevereins als ehrenamtlicher Richter am Finanzgericht ausgeschlossen”
Tenor
Herr … wird vom Amt des ehrenamtlichen Richters am Finanzgericht München entbunden.
Gründe
Der Antragsteller war für die Zeit ab 1998 zum ehrenamtlichen Richter am Finanzgericht München gewählt und vom Präsidium dem 16. Senat des Finanzgerichts zugeteilt worden.
Im Anschluß an seine Wahl stellte sich heraus, daß er als Dipl.-Betriebswirt (FH) und Unternehmensberater zugleich selbständiger Beratungsstellenleiter des … Lohnsteuerhifevereins … ist.
Daraufhin beantragte der Präsident des Finanzgerichts München mit Schreiben vom 26.1.1998, Herrn … (W) gemäß § 21 Finanzgerichtsordnung von seinem Amt zu entbinden. An diesem Antrag hat der Präsident auch nach Hinweis von W, er sei nicht als freiberuflicher Steuerberater zugelassen, sondern nur als Beratungsstellenleiter gewerbsmäßig tätig, festgehalten.
W hat beantragt, seine Amtsentbindung unter diesem Gesichtspunkt nochmals zu überprüfen.
Dem Entbindungsantrag war stattzugeben.
Gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Finanzgerichtsordnung ist ein ehrenamtlicher Richter auf Antrag des Präsidenten des Finanzgerichts von seinem Amt zu entbinden, wenn er nach den §§ 17 bis 19 FGO nicht berufen werden konnte oder nicht mehr berufen werden kann. Nach § 19 Nr. 5 können zum ehrenamtlichen Richter u. a. nicht berufen werden Steuerberater, Vorstandsmitglieder von Steuerberatungsgesellschaften, die nicht Steuerberater sind, Steuerbevollmächtigte, vereidigte Buchprüfer und Personen, die fremde Rechtsangelegenheiten geschäftsmäßig besorgen.
Leiter einer Lohnsteuerberatungsstelle fallen jedenfalls dann unter den Personenkreis, der fremde Rechtsangelegenheiten geschäftsmäßig besorgt, wenn sie die rechtsbesorgende Tätigkeit selbständig in eigener Entschließung und Verantwortung ausüben (so schon Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 1.7.1968 IV C 27/66, HFR 1969 Seite 201 zur Berufung von Gewerkschaftssekretären nach § 22 Nr. 5 Verwaltungsgerichtsordnung, seitdem ständige Rechtsprechung). Allein diese Auslegung entspricht dem Sinn und Zweck des § 19 Finanzgerichtsordnung, Interessenkonflikte des Ehrenamts mit dem Beruf zu vermeiden. Diese Annahme wird bestätigt dadurch, daß den Lohnsteuerhilfevereinen – in begrenztem Umfang – ausdrücklich die gesetzliche Befugnis erteilt ist, geschäftsmäßig Hilfeleistung in Steuersachen auszuüben (§§ 2, 4 Nr. 11 Steuerberatungsgesetz). Diese Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung gilt nicht nur für Vorstandsmitglieder des Lohnsteuerhilfevereins, sondern auch für – angestellte und selbständige – Beratungsstellenleiter (vgl. Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 16.7.1970 II 21/70, EFG 1970 S. 457). Dabei ist nicht entscheidungserheblich, ob die Beratungsstellenleiter unter eine der ausdrücklich in § 19 aufgeführten Berufsgruppen fallen.
Da W unstreitig die Interessen der Vereinsmitglieder selbständig, d. h. weisungsunabhängig wahrnimmt, braucht die Zweifelsfrage, ob diese Grundsätze in gleicher Weise für rechtlich unselbständige Beratungsstellenleiter Gültigkeit haben, nicht abschließend entschieden zu werden. Dabei sei jedoch darauf hingewiesen, daß die im Schrifttum regelmäßig zitierte Rechtsprechung, wonach eine „geschäftsmäßige” Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten begrifflich nur für selbständige Personen in Betracht komme, nicht ohne weiteres auf angestellte Beratungsstellenleiter eines Lohnsteuerhilfevereins übertragen werden kann (z. B. FG Rheinland-Pfalz Beschluß vom 7.6.1966 III 140/66, EFG 1966 S. 414 und Bundesverwaltungsgericht a.a.O. HFR 1969 S. 201 zu angestellten Gewerkschaftssekretären). Immerhin sind die Beratungsstellenleiter unabhängig von der Beschäftigung aufgrund eines Anstellungsvertrages eher den nach § 19 Nr. 5 FGO ausgeschlossenen Vorstandsmitgliedern von Steuerberatungsgesellschaften gleichzustellen, als sonstige, auch faktisch weisungsgebundene Angestellte von Steuerberatungsgesellschaften, Gewerkschaftssekretäre oder firmenangehörige Vertreter in Steuersachen, die nicht Steuerberater sind.
Fundstellen