rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Betriebsübernehmers trotz sittenwidriger Übernahme des Vermögens des Veräußerers
Leitsatz (redaktionell)
1. Für eine Übereignung des Unternehmens im Ganzen i. S. v. § 75 AO genügt es, wenn die wesentlichen Grundlagen des Unternehmens nur im wirtschaftlichen Sinn übereignet werden, wenn also ein eigentümerähnliches Herrschaftsverhältnis an den sachlichen Grundlagen des Unternehmens auf einen Erwerber übergegangen ist. Der Übernehmer muss sich dabei die wirtschaftliche Kraft des Unternehmens zu eigen machen.
2. Der Betriebsübernehmer kann sich, um eine Haftungsinanspruchnahme abzuwenden, nicht auf die schuldhafte Teilnahme an einem sittenwidrigen Geschäft – Vermögensübernahme bei drohender Insolvenz des Veräußerers, ohne diesem neue Mittel zuzuführen – berufen, dessen Wirkungen er im Zusammenwirken mit dem personengleich vertretenen Veräußerer hat eintreten und bestehen lassen.
3. Die Haftung ist hier nicht deshalb der Höhe nach zu beschränken, weil ein anderer Gläubiger – im Streitfall eine Bank – bereits im Wege einer Globalzession Forderungen einschließlich der Umsatzsteuer vereinnahmt hatte.
Normenkette
AO § 75 Abs. 1-2, § 191 Abs. 1 S. 1; BGB § 138
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer Haftungsinanspruchnahme als Betriebsübernehmer.
Die Klägerin ist die am 23. September 2004 gegründete A GmbH & Co KG (A). Komplementär der Gesellschaft ist die am 24. September 2004 gegründete B Verwaltungsgesellschaft mbH (B), welche durch den Geschäftsführer C vertreten wird, der zugleich der einzige Kommanditist der Klägerin ist.
Mit „Übernahmevertrag” vom 23. September 2004 hat die Klägerin den Geschäftsbetrieb einer Firma A GmbH (D) jedenfalls teilweise übernommen und fortgeführt. Die Firma A GmbH wurde am 23. September 2004 umbenannt in D GmbH (D), welche ab diesem Zeitpunkt keinen eigenen Geschäftsbetrieb mehr unterhielt. Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter der D war ebenfalls C. Über das Vermögen der D GmbH wurde am 28. Oktober 2004 das Insolvenzverfahren eröffnet.
Mit „Vereinbarung” vom 15. Dezember 2004 zwischen dem Insolvenzverwalter der D, der Klägerin sowie C wurde „zwischen den Parteien zur Regelung der teilweise faktischen Geschäftsübernahme durch die A [= die Klägerin] und um den laufenden Geschäftsbetrieb und damit die Arbeitsplätze der jetzt dort tätigen Arbeitnehmer zu retten, unter anderem vereinbart:
- dass die „A” Eigentümerin der von ihr in § 1 Abs. 2 des Geschäftsübernahmevertrags gekennzeichneten beweglichen Gegenstände des Anlage- und Umlaufvermögens ist …,
- dass die von dem Geschäftsübernahmevertrag erfassten Patente, Rechte aus Patentanmeldungen und Schutzrechte bislang noch nicht auf die „A” übertragen und umgeschrieben worden sind …,
- dass für die Übernahme der Gegenstände des Anlage- und Umlaufvermögens ein Entgelt von insgesamt X00.000,– EUR unter bestimmten benannten Zahlungsbedingungen zu entrichten ist … und
- dass mit dem Abschluss der Vereinbarung und der Bezahlung bestimmter Beträge der Insolvenzverwalter die von ihm auf Grund eines beim Landgericht erwirkten Arrestes in das Vermögen der „A” ausgebrachten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen aufgehoben werden”.
Das beklagte Finanzamt prüfte auf Grund dieses Sachverhalts die Haftungsinanspruchnahme der Klägerin als Betriebsübernehmerin der D. Mit Haftungsbescheid vom 21. April 2005 wurde die Klägerin als Betriebsübernehmerin der D für die vorgenannten Umsatzsteuerschulden in Höhe von insgesamt 30.271,63 EUR in Haftung genommen.
Zur Begründung ihrer Klage die Klägerin vor, dass ein haftungsausschließender Erwerb vom Insolvenzverwalter vorliege und die Voraussetzungen der Haftung als Betriebsübernehmer auch deshalb nicht vorlägen, weil wesentliche Betriebsgrundlagen – wie Patente und Schutzrechte – nicht mit übertragen worden seien. Darüber hinaus seien die Forderungen der Klägerin im Wege einer Globalzession an eine Bank abgetreten und von dieser größtenteils vereinnahmt worden.
Das FA trägt vor, dass hier ein Betrieb im Ganzen veräußert worden sei, weil die wesentlichen Grundlagen dieses Betriebes zu seiner Fortführung übertragen worden seien. Es stehe einer Geschäftsveräußerung in diesem Sinne auch nicht entgegen, dass die Patente und Schutzrechte auf Grund der Vereinbarung vom 15. Dezember 2004 nicht mit übertragen worden seien; denn diese Rechte seien der Klägerin jedenfalls wirtschaftlich in einer Weise überlassen worden, wie es für die Fortführung des Betriebs erforderlich gewesen sei.
Mit Abschlussvereinbarung vom 10. August 2007 zwischen dem Insolvenzverwalter der D, der Klägerin sowie den C wurde festgelegt, dass der Geschäftsübernahmevertrag vom 23. September 2004 und die Vereinbarung vom 15. Dezember 2004 im Wesentlichen maßgebend bleiben und das von der Klägerin noch insgesamt ein Betrag von 62.500,– zu zahlen offen ist.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage ist unbegründet.
1. Gemäß § 75 Abs. 1 Sa...