Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung für Umsatzsteuerschulden durch einen an einem gewerbl. Unternehmen wesentlich Beteiligten
Leitsatz (redaktionell)
Für die Frage der Haftung gilt gem. § 74 Abs 2 AO derjenige als wesentlich beteiligte Person, der auf das Unternehmen einen beherrschenden Einfluss ausübt. Dies kann auch dadurch geschehen, dass die Aufgaben eines Geschäftsführers in wesentlichem Umfang auf andere Personen delegiert werden, die Haftung bleibt hiervon unberührt.
Normenkette
AO § 74 Abs. 2 S. 2, Abs. 1 S. 1
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 26.04.2010; Aktenzeichen VII B 240/09) |
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin zu Recht gemäß § 74 Abgabenordnung (AO) für rückständige Umsatzsteuern 2006 der U. GmbH in Haftung genommen wurde.
Das streitgegenständliche Grundstück E in J., das mit einer Lagerhalle und einem Bürocontainer bebaut war, war seit Oktober 2003 an die U. GmbH vermietet. Die Klägerin erwarb das Alleineigentum an diesem Grundstück auf Grundlage eines notariellen Vertrags vom 28.12.2004 von ihrer Mutter. Die Eigentumsumschreibung im Grundbuch erfolgte am 28.06.2006. Das Mietverhältnis zwischen der Klägerin und der U. GmbH über das streitgegenständliche Grundstück endete im Jahr 2007.
Die alleinige Gesellschafterin der U. GmbH bestellte in ihrer Gesellschafterversammlung vom 31.12.2004 die Klägerin zur alleinigen Geschäftsführerin, unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Gleichzeitig berief sie den bisherigen Geschäftsführer, den Bruder der Klägerin, ab und erteilte ihm Prokura mit Gesamtvertretungsbefugnis. Diese Änderungen wurden im Mai 2005 im Handelsregister eingetragen.
Die U. GmbH gab für das Jahr 2006 keine Umsatzsteuererklärung ab. Daraufhin schätzte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen im Umsatzsteuerbescheid 2006 vom 02.01.2008, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erging. Dieser Bescheid wurde nicht angefochten. Die U. GmbH blieb für das Jahr 2006 mit der gesamten gegen sie festgesetzten Umsatzsteuer in Höhe von 2.947,52 EUR im Rückstand.
Am 19.02.2008 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der U. GmbH eröffnet.
Der Beklagte nahm die Klägerin mit Haftungsbescheid vom 22.02.2008 zunächst für rückständige Umsatzsteuern der U. GmbH für das Jahr 2005 sowie für die Monate November und Dezember 2007 in einer gesamten Höhe von 71.111,44 EUR gemäß § 74 AO in Anspruch und forderte sie gleichzeitig zur Zahlung auf. Im Einspruchsverfahren wurde dieser Haftungsbescheid am 08.04.2009 nach § 131 AO geändert; die Haftungsinanspruchnahme bezog sich nunmehr ausschließlich auf die Umsatzsteuer 2005 in Höhe von insgesamt 33.111,44 EUR und auf die Umsatzsteuer 2006 in Höhe von 2.947,52 EUR. Hiergegen legte die Klägerin wiederum Einspruch ein. Dabei beanstandete sie die Haftungsinanspruchnahme dem Grunde nach; die Höhe der für 2006 festgesetzten Umsatzsteuer griff sie nicht an.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 24.11.2008 zurück. Im Kopf dieser Einspruchsentscheidung war als Datum des angefochtenen Bescheids der 08.04.2008 angegeben; unter der Rubrik „Steuerart/Jahr” war angegeben „Haftungsbescheid über rückständige Umsatzsteuer 2005 der Firma U. GmbH i.L.”. Zur Begründung dieser Einspruchsentscheidung führte der Beklagte aus, die Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme der Klägerin nach § 74 AO lägen vor. Insbesondere handele es sich bei der Klägerin um eine nach § 74 Abs. 2 Satz 2 AO als wesentlich beteiligt geltende Person. Die Klägerin habe es unterlassen, ihren Aufgaben als Geschäftsführerin nachzukommen. Dadurch habe sie dazu beigetragen, dass die fälligen Umsatzsteuern nicht entrichtet worden seien. Wegen der Einzelheiten wird auf den Text der Einspruchsentscheidung Bezug genommen.
Die Klageschrift ist am 23.12.2008 beim Beklagten eingegangen und von diesem an das Gericht weitergeleitet worden.
Das Verfahren wegen Umsatzsteuerhaftung 2005 ist mit Senatsbeschluss vom 08.09.2009 vom hiesigen Klageverfahren abgetrennt worden.
Die Klägerin bringt gegen ihre Haftungsinanspruchnahme für die rückständigen Umsatzsteuern 2006 vor, sie habe keinen beherrschenden Einfluss auf das Unternehmen der U. GmbH ausgeübt. Sie sei einer ganztätigen kaufmännischen Betätigung bei einem anderen Arbeitgeber nachgegangen. Die laufenden Geschäfte der U. GmbH habe ihr Bruder als Prokurist geführt. Ihre Zuständigkeit sei lediglich beim Jahresabschluss und den Steuererklärungen benötigt worden. Da sie keine Kontovollmacht für das Geschäftskonto gehabt habe, habe sie nicht die tatsächliche Möglichkeit gehabt, die Steuerzahlungen auszuführen. Ihre schwache Stellung in der U. GmbH zeige sich auch darin, dass der Mietvertrag über das streitgegenständliche Grundstück zum 31.03.2007 durch Beschluss der Gesellschafterversammlung aufgehoben worden sei, obwohl dies nicht vertragskonform gewesen sei. Auf diesen Sachverhalt habe sie keinen Einfluss nehmen können.
Im Übrigen habe ein angestellter Geschäftsführer, der nicht zugleich Gesellschafter sei,...