Entscheidungsstichwort (Thema)

Änderungsvorschriften: Beweislast bei Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO obliegt FA

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Dem FA obliegt die objektive Beweislast (Feststellungslast), dass die für eine Änderung eines Bescheides zu Lasten des Steuerpflichtigen erforderlichen tatsächlichen Voraussetzungen vorliegen.

2) Eine Schätzung von Besteuerungsgrundlagen ist erst dann rechtswidrig, wenn sie den durch die Umstände des Falles gezogenen Schätzungsrahmen verläßt.

 

Normenkette

AO 1977 § 162 Abs. 1-2, § 173 Abs. 1, 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Zu entscheiden ist, ob und inwieweit die Einkommensteuerveranlagungen 1989 bis 1992 wegen festgestellten Vermögenszuwächsen im Privatbereich gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) geändert werden können und ob die Besteuerungsgrundlagen für die Einkommensteuern 1993 bis 1995 zutreffend geschätzt worden sind.

Der zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer zu veranlagende Kläger erzielte vom 01.05.1988 bis Ende 1996 im Rahmen eines Reisegewerbes als Markthändler (Verkauf von Textilien) Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

Ausweislich der eingereichten Einkommensteuererklärungen und Gewinnermittlungen gemäß § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) hatte er in den Jahren 1988 bis 1992 folgende Einnahmen und Einkünfte:

Betriebseinnahmen

Einkünfte

1988

34.612,01 DM

./. 29.881,12 DM

1989

108.865,64 DM

22.941,99 DM

1990

115.883,82 DM

18.181,55 DM

1991

132.897,79 DM

42.723,84 DM

1992

161.035,79 DM

39.789,09 DM

Wegen der Einzelheiten wird auf die Erklärungen, Gewinnermittlungen und beigefügten „Kontennachweise” Bezug genommen.

Nach vorliegenden, zum Teil vom Kläger während des Einspruchsverfahrens vorgelegten Bankunterlagen nahm der Kläger folgende Einzahlungen auf sein Konto bei der Griechischen Handelsbank vor:

01.07.1991

100.000,00 DM

29.10.1991

129.476,00 DM

30.11.1992

103.307,50 DM

28.06.1993

144.000,00 DM.

Auf diesem am 22.01.1996 aufgelösten Konto wurden außerdem Zinsen von 2.876,71 DM (1991), 25.557,34 DM (1992), 31.894,89 (1993), 27.818,86 (1995), 25.509,30 DM (1995) und 1.327,30 (1996) gutgeschrieben.

Außerdem war auf einem weiteren Konto Nr. … bei der Griechischen Handelsbank am 29.12.1989 ein Guthaben von 30.201,16 DM vorhanden, das durch Zinszubuchungen von 1.995,85 DM (1990), 2.628,46 DM (1991), 10.172,36 DM (1992) und 4.486,22 DM (1993) zum 31.12.1993 auf 49.484,25 DM angestiegen war. Darüber hinaus bestand bei der Griechischen Handelsbank oder Commerzbank das Konto … mit einem Guthaben am 29.12.1990 von 60.000,00 DM. Dieses Guthaben wurde nebst Zinszahlungen von 4.800,00 DM am 29.10.1991 abgehoben.

Der Beklagte führte die Einkommensteuerveranlagungen für 1989 bis 1992, für die Zinsen nicht erklärt waren, zunächst erklärungsgemäß und endgültig durch und setzte außerdem die Einkommensteuer für 1993 unter Schätzung der Besteuerungsgrundlagen und unter Vorbehalt der Nachprüfung auf 4.734 DM fest.

Im Rahmen eines vom Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung … (STEUFA) am 13.12.1995 gegen den Kläger eingeleiteten Strafverfahrens wegen Verdachts der Steuerhinterziehung stellten die Prüfer das Bankguthaben und die Einzahlungen auf dem Konto … sowie Zahlungen des Klägers i.H.v. in 1991 25.230,00 DM, in 1992 136.510,00 DM und in 1993 73.715,00 DM an Herrn S … in … (laut Einlassung des Herrn S …: Darlehensrückzahlungen und Zinsen für einen Hausbau in Griechenland) fest. Darüberhinaus habe der Kläger am 30.12.1993 eine Eigentumswohnung in … /Griechenland für 23 Millionen Drachmen (laut STEUFA umgerechnet 184.000 DM) und eine Heizungsanlage für dieses Objekt erworben.

Weiter ermittelten die Prüfer, daß die Kassenberichte für die Jahre 1989 bis 1993 nicht täglich geführt und für 1989 und 1990 keine freien Privateinnahmen gebucht waren. Wegen des hohen Kassenbestandes per 31.12.1990 sei eine Barentnahme in Höhe von 60.000,00 DM gebucht worden. Auch die nicht zweckgebundenen Privateinnahmen für 1991 bis 1994 seien erst nachträglich durch die steuerliche Beratung eingebucht worden.

Aus den vorgefundenen handschriftlichen Kassenuraufzeichnungen für die Monate Januar bis April 1995 ergebe sich außerdem, daß die tatsächlichen Tageseinnahmen wie folgt von den im Kassenbericht aufgezeichneten abwichen:

Zeitraum

Kassenbericht

Uraufzeichnungen

1/1995

14.440,00 DM

22.260,00 DM

2/1995

18.710,00 DM

26.730,00 DM

3/1995

12.850,00 DM

28.450,00 DM

4/1995

18.110,00 DM

32.400,00 DM

Aufgrund dieser Feststellungen vertraten die Prüfer die Ansicht, die Besteuerungsgrundlagen seien aufgrund unzutreffender Aufzeichnung der Betriebseinnahmen und Mängeln in der Kassenführung durch Schätzung nach § 162 AO zu ermitteln. Dabei sei davon auszugehen, daß die Guthaben bei der griechischen Handelsbank und die Mittel für den Kauf des Hauses nicht aus den bisher erklärten Einkünften stammen könnten.

Ohne Durchführung einer (vollständigen) Geldverkehrs- bzw. Vermögenszuwachsrechnung ermittelten die Prüfer unter Berücksichtigung ungeklärter Vermögenszuwächse von 675.200 DM Gewinne des Klägers aus Gewerbetr...

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