rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit des Mindeststreitwerts im finanzgerichtlichen Verfahren
Leitsatz (redaktionell)
Der durch das Kostenrechtsmodernisierungsgesetz vom 5.5.2004 eingeführte Mindeststreitwert im finanzgerichtlichen Verfahren unterliegt keinen grundlegenden verfassungsrechtlichen Bedenken.
Normenkette
GG Art. 19 Abs. 4; GKG § 6 Abs. 1 Nr. 4, § 63 Abs. 1, § 52 Abs. 4
Streitjahr(e)
2004
Tatbestand
Der Erinnerungsführer erhob mit Schriftsatz vom 20.10.2004 Klage gegen das Finanzamt…mit dem Antrag, die mit Bescheid vom 18.8.2004 für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen…festgesetzte Kraftfahrzeugsteuer in Höhe von 241,-- EUR um 120,-- EUR herabzusetzen. In dem unter der gerichtlichen Geschäftsnummer 5 K 3580/04 registrierten Verfahren ist noch keine Entscheidung ergangen.
Mit Kostenrechnung vom 28.10.2004 erfolgte durch den zuständigen Kostenbeamten gemäß §§ 6 Abs. 1 Nr. 4, 63 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes in der durch das Kostenrechtsmodernisierungsgesetz (KostRMoG) vom 5.5.2004 (Bundesgesetzblatt I 2004, 718) eingeführten und für ab dem 1.7.2004 anhängig gemachte finanzgerichtliche Verfahren geltende Fassung (GKG n.F.) der (vorläufige) Ansatz der Verfahrensgebühr in Höhe von 220,-- EUR auf der Grundlage des gesetzlichen Mindestreitwerts von 1.000,-- EUR (§ 52 Abs. 4 GKG n.F.).
Hiergegen macht der Erinnerungsführer im vorliegenden Verfahren geltend, dass die Vorschrift des § 52 Abs. 4 GKG n.F. gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG) verstoße, weil weder für die ordentliche Gerichtsbarkeit noch für die Verwaltungs- und Sozialgerichtsbarkeit eine Mindeststreitwert von 1.000,-- EUR und Mindestgebühren in Höhe von 220,-- EUR ohne Rücksicht auf das tatsächliche Rechtsschutzinteresse vorgesehen seien. Außerdem liege ein Verstoß gegen das allgemeine Verbot der Willkür und des Staatswuchers vor (Art. 20 GG und Art. 2 GG).
Der Kostenbeamte hat der Erinnerung nicht abgeholfen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 66 Abs. 1 GKG n.F. in zulässiger Weise erhobene Erinnerung hat keinen Erfolg, da die dem angefochtenen Kostenansatz zugrunde liegende Regelung des § 52 Abs. 4 GKG n.F. keinen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt, die eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Rahmen einer sog. konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG zwingend erfordert hätten.
Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 GKG n.F. wird in Prozessverfahren vor der Finanzgerichtsbarkeit u.a. mit der Einreichung der Klageschrift die Verfahrensgebühr fällig. Nach § 63 Abs. 1 Sätze 3 und 4 GKG n.F. sind in den Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit die Gebühren vorläufig nach dem in § 52 Abs. 4 GKG n.F. bestimmten Mindeststreitwert (1.000,-- EUR) zu bemessen. Zur Einführung diese Mindeststreitwerts wird in der Entwurfsbegründung zum KostRMoG (BT-Drs. 15/1971, S. 156) ausgeführt, dass zahlreichen Verfahren vor den Finanzgerichten ein sehr geringer Streitwert zugrunde liege und die in diesen Verfahren anfallenden sehr geringen Gebühren nicht durch hohe Gebühren bei Verfahren mit höheren Streitwerten ausgeglichen werden könnten. Mit dem Mindeststreitwert könne daher dem Aufwand, den ein finanzgerichtliches Verfahren mit sich bringe, besser Rechnung getragen werden. Auch hätten die Verfahren schon häufig deshalb eine höhere Bedeutung als der sich in Streit befindliche Betrag, weil die Entscheidung in einer Steuersache Bedeutung für die Folgejahre haben könne.
Die Einwendungen des Erinnerungsführers enthalten im Kern die Beanstandung, dass bei geringen Streitwerten die reinen Gerichtskosten in einem unangemessenen Verhältnis zum wirtschaftlichen Interesse an dem Verfahren stünden und sich daher das erhöhte Kostenrisiko als faktische Zugangsbeschränkung zu den Finanzgerichten erweise. Damit macht der Erinnerungsführer eine Unvereinbarkeit des § 52 Abs. 4 GKG n.F. mit der Rechtweggarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG geltend, die einen möglichst lückenlosen und wirksamen gerichtlichen Schutz gegen die behauptete Verletzung der Rechtssphäre des Einzelnen durch Eingriffe der öffentlichen Gewalt gewährleistet (Beschluss des BVerfG vom 27.3.1980 2 BvR 316/80, Sammlung der Entscheidungen des BVerfG - BVerfGE - 54, 39, mit weiteren Nachweisen).
Dem Kläger ist zuzugeben, dass derartige verfassungsrechtliche Zweifel bereits vereinzelt auch schon in der Literatur erhoben wurden (vgl. insbesondere Eberl, Der Mindeststreitwert als neue Zugangsbeschränkung in der Finanzgerichtsbarkeit, Der Betrieb 2004, 1910, der zu dem Ergebnis gelangt, dass zumindest bei Verfahren mit einem Streitwert bis 600,-- EUR das Kostenrisiko von zwei Instanzen das finanzielle Interesse des Beteiligten weit übersteigt). Das Gericht hält diese auf wirtschaftlichen Erwägungen (Kosten-Nutzen-Abwägung) beruhenden verfassungsrechtlichen Bedenken jedoch für nicht durchgreifend (ebenso Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung -FGO-, 16. Aufl., vor § 135 FGO Tz. 107a; wohl auch Bartone, Das neue Gerichtskostengesetz in der ...