Tz. 16
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Rücknahme ist die Aufhebung der Regelungswirkung des Verwaltungsakts. Die Änderung oder der Austausch der Begründung des Verwaltungsakts ohne Änderung des Regelungsinhalts ist keine Rücknahme (von Wedelstädt in Bartone/von Wedelstädt, Rz. 295; von Wedelstädt in Gosch, § 130 AO Rz. 70).
Tz. 17
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Keine Rücknahme liegt vor, wenn ein bisher nicht erfasster Sachverhalt durch einen weiteren, ergänzenden Verwaltungsakt geregelt wird. Der ergänzende Verwaltungsakt tritt dann neben den bisherigen Verwaltungsakt (von Wedelstädt in Bartone/von Wedelstädt, Rz. 296; BFH v. 02.09.2008, X R 9/08, BFH/NV 2009, 3).
Tz. 18
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Ob die Behörde einen bereits erlassenen Verwaltungsakt (z. B. einen Haftungsbescheid oder eine Prüfungsanordnung) aufheben und durch den Erlass eines neuen Verwaltungsakts (z. B. einen Haftungsbescheid) ersetzen will oder ob ein bereits existierender Verwaltungsakt (= Haftungsbescheid) lediglich ergänzt bzw. erweitert werden soll, ist im Einzelfall im Wege der Auslegung zu ermitteln. Der Wille, die erste Entscheidung aufzuheben, muss erkennbar sein. Die Ergänzung eines bereits ergangenen Haftungsbescheids durch einen weiteren Haftungsbescheid ist nur möglich, soweit die weitere Haftungsinanspruchnahme aufgrund eines anderen haftungsauslösenden Sachverhalts, etwa für eine andere Steuer oder für dieselbe Steuer aber für einen anderen Besteuerungszeitraum erfolgt. Der ergänzende Haftungsbescheid ist hinsichtlich seiner rechtlichen Beurteilung (Korrektur nach §§ 130, 131 AO oder in einem Rechtsbehelfs- und Klageverfahren) ein selbstständiger, von dem ersten Haftungsbescheid unabhängiger Verwaltungsakt. Erfasst der ergänzende Haftungsbescheid dagegen denselben Sachverhalt wie der erste Haftungsbescheid, in dem die Inanspruchnahme auf eine zu niedrige Haftungssumme auf einer rechtsirrtümlichen Beurteilung des Sachverhaltes oder einer fehlerhaften Ermessensentscheidung beruht, steht einer nochmaligen – verbösernden – Regelung des bereits beurteilten und abschließend geregelten Sachverhaltes die Bestandskraft des vorangegangenen Haftungsbescheides entgegen. Der Erlass eines Verwaltungsaktes, der die Regelung des ersten Verwaltungsaktes über denselben Sachverhalt erweitern soll, ist nur nach Maßgabe des § 130 Abs. 2 AO, d. h. nach Rücknahme des ersten Verwaltungsaktes möglich (BFH v. 25.05.2004, VII R 29/02, BStBl II 2005, 3; v. 07.04.2005, I B 140/04, BFH/NV 2005, 1408; von Wedelstädt in Bartone/von Wedelstädt, Rz. 297; von Wedelstädt in Gosch, § 130 AO Rz. 76).
Tz. 19
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Rücknahme steht dem Erlass eines Verwaltungsakts, der einer erneute Regelung über denselben Sachverhalt trifft, grundsätzlich nicht entgegen, soweit nicht Vertrauensschutzgründe des Betroffenen dies ausschließen (BFH v. 18.02.1992, VII B 237/91, BFH/NV 1992, 639). Dies ist dann der Fall, wenn die Finanzbehörde den Verwaltungsakt "ersatzlos" zurückgenommen hat (BFH v. 25.07.1986, VI R 216/83, BStBl II 1986, 779). In diesem Fall steht der Vertrauensschutz einem erneuten Erlass des Verwaltungsaktes entgegen. Gleiches gilt, wenn der Betroffene die Rücknahme bei Berücksichtigung aller Umstände als ersatzlos verstehen musste (von Wedelstädt in Bartone/von Wedelstädt, Rz. 299; Loose in Tipke/Kruse, § 130 AO Rz. 57). Kein Vertrauensschutz besteht, wenn die Finanzbehörde einen Verwaltungsakt zurückgenommen hat und in derselben Verfügung einen neuen Verwaltungsakt erlassen hat (BFH v. 18.02.1992, VII B 237/91, BFH/NV 1992, 639), wenn der Verwaltungsakt aus formellen Gründen zurückgenommen wurde (BFH v. 24.08.1989, IV R 65/88, BStBl II 1990, 2) oder wenn der Betroffene bei der Rücknahme nicht von einer Freistellung ausgehen konnte (BFH v. 13.04.2000, VII S 35/99, BFH/NV 2001, 76).
Tz. 20
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Rücknahme oder Teilrücknahme des Verwaltungsakts können auch Erstattungsansprüche begründen (s. § 37 AO).