Tz. 9

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Das Merkmal "bestimmter Sachverhalt" ist zentrales Element aller Tatbestände des § 174 AO und deshalb einheitlich auszulegen (z. B. BFH v. 29.06.2016, II R 14/12, BFH/NV 2017,1). Unter Sachverhalt i. S. des § 174 AO ist ein einheitlicher Lebensvorgang zu verstehen, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft (z. B. BFH v. 14.01.2010, IV R 33/07, BStBl II 2010, 586 m. w. N.; BFH v. 29.06.2016, II R 14/12, BFH/NV 2017,1). Der Sachverhalt darf ausschließlich der Seinswelt angehören, d. h., es muss sich um einen Zustand, einen Vorgang, eine Beziehung, bzw. eine Eigenschaft materieller oder immaterieller Art handeln, die ihrerseits Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Tatbestandes ist (BFH v. 26.02.2002, X R 59/98, BStBl II 2002, 450). Der Begriff des bestimmten Sachverhalts ist dabei nicht auf eine einzelne steuererhebliche Tatsache oder ein einzelnes Merkmal beschränkt, sondern erfasst den einheitlichen, für diese Besteuerung maßgeblichen Sachverhaltskomplex (von Wedelstädt, DStZ 1998, 377; BFH v. 14.03.2006, I R 8/05, BStBl II 2007, 602; BFH v. 29.06.2016, II R 14/12, BFH/NV 2017,1). Ein zeitlicher und/oder örtlicher Zusammenhang ist weder erforderlich noch alleine ausreichend (von Wedelstädt in Gosch § 174 AO Rz. 16). Ein sich über einen längeren Zeitraum erstreckendes Geschehnis kann auch ein Sachverhalt sein, wenn er nur so beurteilt werden kann (bspw. bei der Einkünfteerzielungsabsicht i. S. des § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG). Werden durch die Anwendung einer anderen Schätzmethode geänderte Schätzergebnisse erzielt, so beruhen die ursprünglichen Schätzergebnisse nicht auf einer irrigen Beurteilung eines Sachverhaltes. Die Schätzungen sind lediglich Schlussfolgerung und Subsumtion aus einem nicht vollständig aufklärbaren Sachverhalt (BFH v. 26.02.2002, X R 59/98, BStBl II 2002, 450).

 

Tz. 10

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Ein bestimmter Sachverhalt ist anzunehmen, wenn der identische Sachverhalt verschiedenen Bescheiden (s. Rz. 5) zugrunde gelegt wurde. Gleichartige Sachverhalte, die gesondert entstehen und beurteilt werden können, sind nicht als ein bestimmter Sachverhalt i. S. des § 174 AO zu qualifizieren. Gleiches gilt, wenn sich die steuerliche Rechtsfolge für einen Bescheid erst durch Ergänzung weiterer Tatsachen eintreten (BFH v. 18.02.1997, VIII R 54/95, BStBl II 1997, 647).

Dieser Inhalt ist unter anderem im Kühn, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung (Schäffer-Poeschel) enthalten. Sie wollen mehr?