Tz. 40
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Voraussetzung ist zunächst, dass ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid nicht berücksichtigt wurde. Zum Begriff des "bestimmten Sachverhalts" s. Rz. 9 f. Nicht unter den Anwendungsbereich fällt eine etwaige irrige Rechtsauffassung der Finanzbehörde. Hat das FA in dem Verfahren über den Einspruch zu erkennen gegeben, dass es an seiner irrigen Rechtsauffassung nicht mehr festhalte, findet § 174 Abs. 3 AO keine Anwendung. Der Stpfl. kann diese geänderte Rechtsauffassung in dem Verfahren um den Einspruch überprüfen lassen; der die Änderungsmöglichkeit des § 174 Abs. 3 AO legitimierende Vertrauensschutzgedanke trägt nicht, wenn der Betroffene die Möglichkeit hat, verfahrensrechtlich gegen die Auffassung des FA vorzugehen (BFH v. 06.12.2006, XI R 62/05, BStBl II 2007, 238).
Tz. 41
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Nicht berücksichtigt ist ein Sachverhalt, wenn er in die Entscheidungsfindung über den Bescheid nicht mit einbezogen, mithin keine Regelung über ihn getroffen wurde (Koenig in Koenig, § 174 Rz. 42). Der Sachverhalt muss dem FA bekannt gewesen, aber dennoch steuerlich nicht abschließend geregelt worden sein. Ist der Sachverhalt dem FA nicht bekannt, kann er nicht Gegenstand der fehlerhaften Zuordnung sein (BFH v. 29.05.2001, VIII R 19/00, BStBl II 2001, 743; BFH v. 11.08.2011, V R 54/10, BFH/NV 2011, 2017). Unerheblich ist, ob die Nichtberücksichtigung anfänglich oder nachträglich durch Änderung eines Steuerbescheides eingetreten ist. Hat sich ein Sachverhalt auf den Steuerbescheid zwar nicht ausgewirkt, wurde jedoch festgestellt, dass er in den Regelungsbereich des Steuerbescheides gehört, ist eine Nichtberücksichtigung nicht anzunehmen (s. Rz. 14; BFH v. 29.05.2001, VIII R 19/00, BStBl II 2001, 743).
Tz. 42
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Änderungsmöglichkeit des § 174 Abs. 3 AO setzt – wie § 174 Abs. 1 und 2 AO – die alternative und nicht eine kumulative Berücksichtigung bzw. Nichtberücksichtigung eines Sachverhaltes voraus (BFH v. 15.02.2001, IV R 9/00, BFH/NV 2001, 1007). Nicht einschlägig ist die Norm daher bei einer fehlerhaften Doppelberücksichtigung.