Tz. 8
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Nach § 236 Abs. 1 Satz 1 AO ist Voraussetzung, dass durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung (Vollaufhebung einer Festsetzung gem. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO bzw. niedrigere Festsetzung gem. § 100 Abs. 2 Satz 1 FGO) eine Steuer herabgesetzt wird oder die Herabsetzung aufgrund einer solchen Entscheidung erfolgt (Teilaufhebung gem. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO, die einen geänderten Verwaltungsakt der Behörde bedingt; Entscheidung nach § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO, die ebenfalls den Erlass eines anderen Verwaltungsakts durch die Behörde erfordert). Es reicht nicht aus, wenn die Herabsetzung nur mittelbare Folge der gerichtlichen Entscheidung ist (BFH v. 16.12.1987, I R 350/83, BStBl II 1988, 600), wie z. B. bei Musterprozessen oder Änderungen außerhalb der streitbefangenen Zeiträume (BFH v. 29.08.2012, II R 49/11, BStBl II 2013, 104; BFH v. 18.09.2012, VIII R 9/09, BStBl II 2013, 149). Allerdings ist in Ausnahmefällen möglich, dass eine Herabsetzung auch ohne formalrechtliche Verknüpfung aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung erfolgt, wenn der gerichtliche Rechtsstreit erforderlich ist und die Herabsetzung zwangsläufige Voraussetzung für die wirtschaftlich begehrte Steuerminderung ist – auch wenn diese durch gesonderte Festsetzung erfolgt. Erforderlich ist aber stets eine insoweit bestehende verfahrensrechtliche Verknüpfung von Entscheidung und Herabsetzung (BFH v. 05.04.2006, I R 80/04, BFH/NV 2006, 1435 m. w. N.). Daran fehlt es, wenn nur die Auszahlung bereits festgesetzter Beträge im Wege der Zahlungsklage (allg. Leistungsklage) erstritten wird. Hier fehlt es an der nach dem Gesetzeswortlaut erforderlichen Veränderung der Steuer- oder Steuervergütungsfestsetzung (BFH v. 06.05.2008, VII R 10/07, BFH/NV 2008, 1714). Auch eine bloße Aufhebung der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Sachentscheidung (§ 100 Abs. 3 FGO) löst keine Zinspflicht aus. Diese Grundsätze gelten entsprechend für Entscheidungen bezüglich Steuervergütungen. Spricht das Gericht die Verpflichtung aus, über einen Vergütungsantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden, reicht dies für die Entstehung des Zinsanspruchs aus, wenn das FA die Vergütung gewährt. Auch eine (deklaratorische) Aufhebung eines unwirksamen Bescheids oder einer erfolgreichen Nichtigkeitsfeststellungsklage löst die Zinspflicht für Prozesszinsen aus, da dem Stpfl. auch insoweit entstandene Nachteile auszugleichen sind (BFH v. 16.05.2013, II R 20/11, BStBl II 2013, 1655).