Tz. 27
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Für die Angehörigen steuerberatender Berufe – insbes. Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, aber auch für die Verwaltung – hat die Rechtsprechung Grundsätze darüber entwickelt, unter welchen Voraussetzungen durch diese verursachte Fristversäumnisse entschuldbar sind (vgl. BFH v. 24.02.2000, VII B 132/99 n. v. – juris; BFH v. 06.11.2012, VIII R 40/10, BFH/NV 2013, 397). Diese Grundsätze gelten unabhängig von der Rechtsform des steuerlichen Beraters. Hiernach setzt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand voraus, dass der Berufsträger einen ordnungsmäßigen Bürobetrieb eingerichtet hat, der durch eine zuverlässige Fristenkontrolle sicherstellt, dass unter normalen Umständen die Wahrung aller einzuhaltenden Fristen gewährleistet ist. Zu diesen besonderen Vorkehrungen gehört z. B. die Führung eines Fristenkalenders, von Fristenkontrollbüchern oder die Schaffung ähnlicher Einrichtungen. Dazu gehört auch die Fristüberwachung mit elektronisch geführten Kalendern, wenn nachträgliche Manipulationen ausgeschlossen sind. In den Fristenkalendern muss die entsprechende Frist bei jedem Posteingang sofort notiert werden. Eine nachträgliche Berechnung, z. B. an Hand des Eingangsstempels, reicht nicht aus. Der Fristenkalender muss täglich nach Fristabläufen durchgesehen werden (BFH v. 14.10.1998, X R 73/97, BFH/NV 1999, 621). Des Weiteren bedarf es einer wirksamen Ausgangskontrolle (BFH v. 07.12.1988, X R 80/87, BStBl II 1989, 266; BFH v. 23.01.2001, VI B 62/99, BFH/NV 2001, 928), die in der Regel durch das Führen eines Postausgangsbuchs erfolgen wird. Auch das Führen einer elektronischen Postausgangskontrolle ist möglich; so reicht das ordnungsgemäße Führen des DATEV-Programms "Fristen und Bescheide" aus. Gleiches dürfte für vergleichbare Produkte anderer Hersteller gelten. Maßgeblich ist bei jeder Art der Fristenkontrolle, dass nachträgliche Manipulationen ausgeschlossen sind. Etwaige Änderungen oder Korrekturen müssen erkennbar und nachvollziehbar sein; dies gilt auch bei elektronisch geführten Aufzeichnungen. Die Eintragungen im Postausgangsbuch müssen ergeben, welcher nach Art und Rechtsbehelfsführer bestimmte Rechtsbehelf das Büro an welchem Tage verlassen hat (BFH v. 24.07.1989, III R 83/88, BFH/NV 1990, 248). Bei der Ausgangskontrolle bei Übermittlung durch Telefaxgerät kommt es darauf an, dass das zu versendende Schriftstück tatsächlich übermittelt wurde (BGH v. 19.11.1992 X ZB 20/92, HFR 1993, 730; BGH v. 24.03.1993 XI ZB 12/93, HFR 1994, 97). Es muss auch sichergestellt sein, dass eingetragene Fristen nicht nachträglich eigenmächtig vom Büropersonal geändert werden (BGH v. 28.09.1989, VII ZB 9/89, VersR 1989, 1316). Die Fristnotierung darf grundsätzlich erst aufgrund der Eintragung im Postausgangsbuch (BFH v. 07.12.1988, X R 80/87, BStBl II 1989, 266), frühestens dann gelöscht werden, wenn das fristgebundene Schriftstück unterzeichnet und postfertig gemacht worden ist (BFH v. 18.01.1984, I R 196/83, BStBl II 1984, 441). Bei Übermittlung per Telefax sollte die Löschung erst nach dem Ausdruck des Sendeprotokolls erfolgen, aus dem sich die erfolgreiche Übermittlung ergibt (BFH v. 18.03.2014, VIII R 33/12, BStBl II 2014, 922). Die Anlegung von Terminmappen oder -fächern genügt nicht, desgleichen nicht die Anweisung, den Briefumschlag an dem zugestellten Schriftstück zu befestigen. Ungenügend ist auch die bloße Eintragung einer Wiedervorlagefrist (sog. Vorfrist) für die Bearbeitung der Sache in einen dafür bestimmten Fristenkalender (BFH v. 12.09.1979, I B 60/79, BStBl II 1979, 743; BGH v. 21.10.1987 IVb ZB 158/87, HFR 1989, 112), wenn der Eintrag des tatsächlichen Fristablaufs fehlt. Im Fristenkontrollbuch ist die gesetzliche Frist zu vermerken. Wird entsprechend einer ständigen Büropraxis eine kürzere Frist ("Wiedervorlagefrist") eingetragen, liegt ein die Wiedereinsetzung ausschließender Organisationsmangel vor (BFH v. 07.02.1992, III R 57/91, BFH/NV 1992, 615). Bei Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs und einer elektronischen Fristenkontrolle ist auf eine sichere und nachvollziehbare Protokollierung zu achten. Auch hier müssen Manipulationen ausgeschlossen sein. Insgesamt betrachtet kommt es also stets auf eine einzelfallbezogene Betrachtung an.
Tz. 28
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Der Berufsträger kann die Berechnung der einfachen und seinem Büro geläufigen Fristen gut ausgebildeten und sorgfältig überwachten Angestellten übertragen. Lückenlose Überwachung wird nicht gefordert; andererseits muss der Bevollmächtigte aber auch darlegen, dass alle Vorkehrungen getroffen sind, um Fristversäumnisse zu vermeiden (BFH v. 05.11.2008, VII B 15/08, BFH/NV 2008, 589; BGH v. 19.09.2017, VI ZB 40/16, MDR 2017, 1380 m. w. N.). Ein Berufsträger mit ordnungsmäßigem Bürobetrieb darf sich, solange er nicht durch Fälle von Unzuverlässigkeit zur persönlichen Aufsicht genötigt wird, auf die Überwachung der Fristsachen durch sein Personal verlassen (BGH v. ...