Tz. 22
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 93 Abs. 7 AO zählt die Möglichkeiten für den automatisierten Kontenabruf enumerativ und abschließend auf. Nach dem Gesetzeswortlaut ist der Abruf auf die genannten Fallgruppen beschränkt ("ist nur zulässig"), es handelt sich also nicht um Regelbeispiele.
Tz. 23
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 AO lässt den Abruf zu, soweit der Steuerpflichtige eine Steuerfestsetzung nach § 32d Abs. 6 EStG beantragt. Erfasst sind damit die Fälle, in denen sich der Steuerpflichtige nicht damit abfinden will, dass die von ihm erzielten Einkünfte der Abgeltungssteuer unterliegen. Hierzu eröffnet § 32d Abs. 6 EStG die Möglichkeit, die Einkünfte aus Kapitalvermögen nach allgemeinen Regelungen in die Einkommensteuerveranlagung einzubeziehen. Dies kann für den Steuerpflichtigen von Vorteil sein, wenn der individuelle Steuersatz den Abgeltungssteuersatz unterschreitet oder er mit seinen steuerpflichtigen Einkünften den Grundfreibetrag nicht erreicht, z. B. wenn ausschließlich geringfügige Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt werden. Der Antrag kann aber nur für alle Kapitaleinkünfte eines Veranlagungszeitraums gestellt werden. Er ist also ggf. jährlich zu wiederholen. Bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten kann der Antrag nur einheitlich für alle Kapitaleinkünfte beider Ehegatten gestellt werden. Die Antragstellung rechtfertigt den Kontenabruf, weil sichergestellt werden soll, dass sämtliche Kapitaleinkünfte in die Besteuerung einbezogen werden. Der Steuerpflichtige wird durch diesen Abruf nicht übermäßig belastet, da er den damit verbundenen Eingriff durch die Inkaufnahme der Abgeltungssteuer vermeiden kann. Außer dem Antrag des Steuerpflichtigen setzt der Abruf voraus, dass er zur Festsetzung der Einkommensteuer erforderlich ist. Ein routinemäßiger Abruf in Antragsfällen ist also nicht zulässig. Erforderlich dürfte der Abruf nur sein, wenn Anhaltspunkte bestehen, dass die Kapitaleinkünfte nicht vollständig offengelegt worden sind.
Tz. 24
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 AO stellt faktisch eine Übergangsregelung dar und ermöglicht den Kontenabruf, wenn er zur Feststellung von Einkünften nach den §§ 20 und 23 Abs. 1 EStG in den Veranlagungszeiträumen bis zum VZ 2008 erforderlich ist. Die Vorschrift ist Folge des Umstandes, dass die Regelungen über die Abgeltungssteuer erst am dem 01.01.2009 Anwendung finden. Insbesondere im Zusammenhang mit Betriebsprüfungen kann die Regelung noch weit über das Jahr 2008 hinaus Bedeutung behalten.
Tz. 25
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 AO lässt den Abruf zur Erhebung von bundesgesetzlich geregelten Steuern zu. Die Regelung entspricht der bisherigen Rechtslage, die bereits einen Abruf für die Zwecke der Erhebung vorsah. Mit Erhebung ist das Erhebungsverfahren nach dem fünften Teil der Abgabenordnung gemeint. Der Abruf soll den Finanzbehörden insbes. ermöglichen, zum Zwecke der Vollstreckung Kenntnis von der Existenz von Konten des Vollstreckungsschuldners zu erhalten. Die Zulässigkeit des Kontenabrufs ist – wie auch in den anderen Tatbeständen des Satz 1 Nr. 1 bis 4b – nach § 93 Abs. 7 Satz 2 AO an die Erfolglosigkeit eines vorherigen Auskunftsersuchens an den Steuerpflichtigen bzw. Vollstreckungsschuldner geknüpft. Damit ist der Gesetzgeber offensichtlich bewusst das Risiko eingegangen, dass das Auskunftsersuchen im Erhebungsverfahren eine Warnfunktion zugunsten des Steuerpflichtigen entfaltet, der allein durch den damit verbundenen Zeitgewinn noch Dispositionen treffen kann, um etwaiges Vermögen dem Zugriff der Finanzbehörde zu entziehen. Hier hätte es nahegelegen, zur Sicherstellung des Vollstreckungserfolges auf ein vorheriges Auskunftsverlangen kraft Gesetzes zu verzichten. Dies wäre auch im Hinblick darauf konsequent, dass in bestimmten Fällen im Interesse der Sicherstellung der Aufgabenerfüllung auf den in § 93 Abs. 9 AO vorgesehenen Hinweis auf die Möglichkeit des Kontenabrufs verzichtet werden kann. Daraus lässt sich im Umkehrschluss herleiten, dass der Gesetzgeber auf ein vorheriges Auskunftsverlangen auch im Fall der Erhebung nicht verzichten wollte. Mit dem StUmgBG vom 24.06.2017 (BGBl I 2017, 1682) ist die Möglichkeit des Kontenabrufs auch auf die Erhebung von Rückforderungsansprüchen auf dem Gebiet bundesgesetzlich geregelter Steuererstattungen oder Steuervergütungen ausgedehnt worden. In der Praxis kann dies vor allem für die Rückforderung von Kindergeldzahlungen von Bedeutung sein (BR-Drs. 816/16, 22).
Tz. 26
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Ebenfalls mit dem StUmgBG ist § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4a AO in das Gesetz eingefügt worden. Die Norm sieht eine zusätzliche Kontenabrufbefugnis vor, wenn ein inländischer Stpfl. i. S. des § 138 Abs. 2 Satz 1 AO Verfügungsberechtigter oder wirtschaftlich Berechtigter i. S. des GWG eines Kontos oder eines Depots einer natürlichen Person, Personengesellschaft, Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Wohnsitz, gewöhnlichem Au...