Tz. 17
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Der Antrag i. S. des § 171 Abs. 3 AO muss vor Ablauf der Festsetzungsfrist gestellt und der zur Entscheidung über den Antrag zuständigen Finanzbehörde zugegangen sein. Geht der Antrag einer unzuständigen Finanzbehörde zu, wird der Fristablauf nur dann gehemmt, wenn der Antrag innerhalb der Festsetzungsfrist an die zuständige Behörde weitergeleitet worden ist (FG Bln v. 28.02.2000, 8 K 8750/98, EFG 2000, 844). § 169 Abs. 1 Satz 3 AO gilt nicht entsprechend, sodass die rechtzeitige Absendung des Antrags zur Fristwahrung nicht genügt.
Tz. 18
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Als Antrag i. S. des § 171 Abs. 3 Satz 1 AO sind nach Ansicht des BFH nur solche Willensbekundungen anzusehen, die ein Tätigwerden der Finanzbehörden außerhalb des infolge der Amtsmaxime ohnehin gebotenen Verwaltungshandelns auslösen sollen (BFH v. 18.06.1991, VIII R 54/89, BStBl II 1992, 124; BFH v. 11.05.2010, IX R 25/09, BStBl II 2010, 953; ebenso Banniza in HHSp, § 171 AO, Rz. 26; Kruse in Tipke/Kruse, § 171 AO Rz. 13). Die Abgabe gesetzlich vorgeschriebener Steuererklärungen gehört zur allgemeinen Mitwirkungspflicht des Stpfl. und ist kein Antrag, selbst wenn die Veranlagung zu einer Steuererstattung führt (vgl. BFH v. 20.01.2016, VI R 14/15, BStBl II 2016, 380; BFH v. 28.08.2014 V R 8/14, BStBl II 2015, 3; BFH v. 30.03.2017, VI R 43/15, BStBl II 2017, 1046). Dagegen ist die Abgabe einer ESt-Erklärung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG (Antragsveranlagung) ein Antrag i. S. von § 171 Abs. 3 AO (BFH v. 20.01.2016, VI R 14/15, BStBl II 2016, 380; Banniza in HHSp, § 171 AO Rz. 25; Paetsch in Gosch, § 171 AO Rz 27), und zwar auch dann, wenn in einem solchen Fall wegen Feststellung eines verbleibenden Verlustvortrags (§ 10d Abs. 4 EStG) gem. § 56 Satz 2 EStDV eine Steuererklärung abzugeben ist (BFH v. 30.03.2017, VI R 43/15, BStBl II 2017, 1046). Auch Anträge auf Änderungen von (i. d. R. bestandskräftigen) Steuerfestsetzungen nach den Korrekturnormen (insbes. §§ 172ff. AO) werden von § 171 Abs. 3 AO erfasst. So setzt z. B. die Änderung einer Steuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO – im Gegensatz zur Änderung nach § 164 Abs. 2 Satz 2 AO, § 174 Abs. 1 Satz 1 AO – ebenso wenig einen Antrag voraus wie etwa Änderungen nach § 174 Abs. 3 AO oder § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO. Ein auf eine solche Änderung abzielendes Begehren eines Stpfl. ist unter den Begriff des Antrags i. S. des § 171 Abs. 3 AO zu subsumieren, da hierdurch ein eigenes Verwaltungsverfahren außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens ausgelöst wird (s. Rz. 15; vgl. auch BFH v. 24.05.2006, I R 93/05, BStBl II 2007, 76 zu einem Antrag nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO). Der Antrag muss auf eine Steuerfestsetzung oder auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung gerichtet sein. Hierzu zählen auch Anträge auf Festsetzung anderer Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis und auf Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (§§ 179ff. AO), Festsetzungen von Steuermessbeträgen (§ 184 AO), auf Zerlegung und Zuteilung von Steuermessbeträgen (§§ 185ff. AO) sowie die Aufhebung oder Änderung der darauf gerichteten Bescheide (hierzu sowie einer ausführlichen Auflistung von Anträgen i. S. des § 171 Abs. 3 AO Kruse in Tipke/Kruse, § 171 AO Rz. 11).
Tz. 19
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Der Antrag muss vom betroffenen Stpfl. selbst bzw. seinem Bevollmächtigten (§ 80 AO) oder gesetzlichen Vertreter für ihn gestellt werden (BFH v. 27.11.2013, II R 57/11, BFH/NV 2014, 596). Werden Ehegatten/Lebenspartner zusammenveranlagt, reicht der Antrag eines Ehegatten/Lebenspartners aus, um für die Veranlagung beider Ehegatten/Lebenspartner den Ablauf der Festsetzungsfrist zu hemmen (BFH v. 28.07.2005, III R 48/03, BStBl II 2005, 865).
Tz. 20
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Zu den Anträgen zählen auch Anträge auf Berichtigung von offenbaren Unrichtigkeiten nach § 129 AO. Der Ablauf der Festsetzungsfrist wird bei offenbaren Unrichtigkeiten nicht nur nach § 171 Abs. 2 AO (s. Rz. 11 ff.) gehemmt, sondern auch nach § 171 Abs. 3 AO, wenn der Stpfl. einen entsprechenden Antrag stellt. Auch der Antrag auf Anpassung eines Folgebescheids an einen Grundlagenbescheid ist geeignet die Rechtsfolge des § 171 Abs. 3 AO auszulösen (BFH v. 24.05.2006, I R 9/05, BStBl II 2007, 76).
Tz. 21
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Nicht zu den Anträgen i. S. des § 171 Abs. 3 AO gehört die Abgabe der Steuererklärung, soweit sie gesetzlich vorgeschrieben ist oder die Behörde zu ihrer Abgabe aufgefordert hat (st. Rspr., BFH v. 29.06.2011, IX R 38/10, BStBl II 2011, 963 m. w. N.), und von Steueranmeldungen (§§ 167f. AO; Kruse in Tipke/Kruse, § 171 AO Rz. 12 m. w. N.; s. Rz. 18). Das gilt auch für die Feststellungserklärung nach § 10d Abs. 4 EStG (BFH v. 29.06.2011, IX R 38/10, BStBl II 2011, 963). Die Auswirkung von Steuererklärungen auf die Festsetzungsfrist ist in § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO abschließend geregelt. Selbstanzeigen nach §§ 371 und 378 Abs. 3 AO und Berichtigungserklärungen nach § 153 AO lösen ...