Karl Blesinger, Dr. Andreas Viertelhausen
Tz. 13
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Ob eine Übereignung vorliegt, muss in erster Linie bürgerlich-rechtlich geprüft werden (BFH v. 08.03.1986, VII R 146/81, BStBl II 1986, 589). Es genügt aber auch, dass dem Erwerber die volle Sachherrschaft zeitlich unbegrenzt übertragen wird, und zwar in einer Weise, die es dem (bürgerlich-rechtlichen) Eigentümer unmöglich macht, die Sache an sich zu ziehen. Auch die Übertragung der Rechte an bürgerlich-rechtlich nicht eigentumsfähigen Gütern ist Übereignung i. S. der Vorschrift (BFH v. 19.12.1968, V 225/65, BStBl II 1969, 303).
Tz. 14
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Langdauernde Pacht steht der Übereignung nicht gleich (RFH v. 13.04.1934, RStBl 1934, 548). Zu beachten ist auch, dass Übereignung eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung voraussetzt, deshalb löst die Anwachsung kraft Gesetzes an den verbleibenden Gesellschafter (nunmehrigen Alleininhaber) keine Haftung aus (BFH v. 09.02.1961, V 107/59 U, BStBl III 1961, 174). Auch der Rückfall des Unternehmens nach Ablauf der Pachtzeit ist nicht Übereignung (RFH v. 18.05.1931, RStBl 1931, 445), desgleichen nicht der Erwerb der vom Pächter beschafften Betriebseinrichtungen beim Betriebsrückfall (RFH v. 03.07.1931, RStBl 1932, 364).
Tz. 15
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Der Erwerber muss die Absicht haben, das Unternehmen auch wirtschaftlich als Eigentum zu erwerben. Demnach besteht keine Haftung des Sicherungs- oder Treuhandeigentümers (BFH v. 30.08.1962, II 207/57 U, BStBl III 1962, 455). Erwirbt ein solcher Eigentümer nachträglich unbeschränktes Eigentum, so kann er gegenüber der Inanspruchnahme aus § 75 AO nicht einwenden, es fehle am Übereignungsakt; denn dieser war schon früher erfolgt, nur seine Wirkungen waren gem. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO noch nicht eingetreten. Die bloße Übernahme von Sicherungsgut zum Zweck der Verwertung ist kein Erwerb des Unternehmens oder Betriebs (BFH v. 11.07.1963, V 208/60, HFR 1963, 413). Eine Übereignung unter Eigentumsvorbehalt begründet jedoch die Haftung (BFH v. 25.07.1957, V z 196/56 U, BStBl III 1957, 309).
Tz. 16
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Unter § 75 Abs. 1 AO fallen auch mehrere aufeinander folgende Erwerbsvorgänge. Ein Erwerber haftet auch als Zweiterwerber in den zeitlichen Grenzen des § 75 AO (BFH v. 25.08.1960, V 190/58, HFR 1961, 256; BFH v. 14.05.1970, V R 117/66, BStBl II 1970, 676).