Katharina Wagner, Dr. Klaus J. Wagner
Tz. 12
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Möglichkeit des Gerichts, der Finanzbehörde die Steuerberechnung nach § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO zu übertragen, beinhaltet keine Rückverweisung auf das in § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO normierte Kassationsprinzip. Das Gericht hat auch in den Fällen des § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO die inhaltliche Änderung des Verwaltungsakts selbst vorzunehmen und kann nur die reine Berechnung der Behörde überlassen. Das Gericht muss also aufgrund der ihm obliegenden Verpflichtung zur Sachaufklärung zu der Überzeugung gekommen sein, dass das klägerische Anfechtungsbegehren (zumindest teilweise) deshalb begründet ist, weil der angefochtene Verwaltungsakt (teilweise) dem Grunde nach mit Bestimmtheit und der Höhe nach in einem nach allgemeinen Kriterien bestimmbaren Umfang rechtswidrig ist (so zutreffend von Groll in Gräber, § 100 FGO Rz. 34). Der Umfang der Entscheidung muss derart bestimmt sein, dass nur die bloße Berechnung offen ist. Alle entscheidungserheblichen Rechtsfragen müssen behandelt worden sein (BFH v. 06.03.1990, II R 63/87, BStBl II 1990, 504; BFH v. 24.04.1991, I R 15/90, BFH/NV 1992, 273).
Tz. 13
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die noch erforderliche Berechnung (die rechnerische Ermittlung des Betrags) kann das Gericht dann unterlassen, wenn die auf den festzusetzenden bzw. festzustellenden Betrag bezogenen Ermittlungen einen nicht unerheblichen Aufwand erfordern. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 12/1061) soll das Gericht (nur) einfache Berechnungen selbst vornehmen. Dies entspricht der rein prozessökonomischen Zielsetzung der Vorschrift.
Tz. 14
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Hat das Gericht eine Entscheidung nach § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO gefällt, so hat die Behörde nach § 100 Abs. 2 Satz 3 1. HS FGO den Beteiligten das Ergebnis unverzüglich formlos mitzuteilen und erst nach Rechtskraft den Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt bekannt zu geben (§ 100 Abs. 2 Satz 3 FGO letzter HS). Damit ist nunmehr klargestellt, dass die (formlos mitzuteilende) Berechnung selbst jedenfalls keinen Verwaltungsakt darstellt (BFH v. 18.11.2004, V R 37/03, BStBl II 2005, 217). Daraus folgt, dass die Finanzbehörde die Berechnung nicht mit einem Verwaltungsakt verbinden darf. Der nach Rechtskraft des Urteils mit dem geänderten Inhalt bekannt zu gebende Verwaltungsakt ist nach Ansicht des BFH ein erneut anfechtbarer Verwaltungsakt (BFH v. 04.05.2011, I R 67/10, BFH/NV 2012, 6; BFH v. 08.03.2017, IX R 47/15, BFH/NV 2017, 737), auch wenn der Inhalt und das Ausmaß der Änderung grundsätzlich durch die gerichtliche Entscheidung bestimmt ist. Denn die Tätigkeit der Behörde ist inhaltlich nicht nur auf die Ausführung der Berechnung (insoweit können ihr eigentlich nur Rechenfehler unterlaufen) und formal auf die förmliche Bekanntgabe (nach Eintritt der Rechtskraft) begrenzt. Vielmehr ist im Rahmen des Bescheids und eines ggf. dagegen gerichteten Rechtsbehelfs- und Klageverfahrens auch zu prüfen, ob nach Erlass des Urteils Umstände eingetreten sind, die eine Änderung des neu bekannt zu gebenden VA erfordern. Insoweit hindert die Rechtskraftwirkung des Urteils eine nachträgliche Änderung nicht (BFH v. 08.03.2017, IX R 47/15, BFH/NV 2017, 737).
Kraft ausdrücklicher Verweisung gilt § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO auch im gerichtlichen Vollziehungsaussetzungsverfahren (§ 69 Abs. 3 Satz 1 FGO letzter HS).
Tz. 15
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Kommt die Finanzbehörde ihrer Verpflichtung zur Berechnung – was in der Praxis kaum denkbar ist – nicht nach, kann die Berechnung mit der allgemeinen Leistungsklage durchgesetzt werden. Weicht die Behörde von der Berechnung ab, weil sie diese in unzulässiger Weise mit einer erneuten Änderung verbindet, entfaltet die Berechnung die Wirkungen eines neuen Verwaltungsaktes, gegen den wiederum die Anfechtungsklage gegeben ist. Im Rahmen des "neuen" Verfahrens kann der Stpfl. mit Einwendungen gegen die vorherige Entscheidung des FG nicht mehr gehört werden.
Bloße Rechenfehler im neuen Bescheid werden in der Regel auf einfachen Antrag oder einen Hinweis des Gerichts korrigiert.