Katharina Wagner, Dr. Klaus J. Wagner
Tz. 11
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Anordnung soll einen bestehenden Zustand sichern. Ob ein Anordnungsanspruch besteht, richtet sich dementsprechend danach, ob der Antragsteller einen Anspruch darauf hat, den in Frage gestellten Zustand aufrecht zu erhalten. Da für Anfechtungsklagen der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 69 FGO vorrangig ist (s. Rz. 2), kommt der Erlass einer Sicherungsanordnung nur in Betracht, wenn im Hauptsacheverfahren die allgemeine Leistungsklage oder die Verpflichtungsklage gegeben ist. Erfasst wird damit im Wesentlichen der Rechtsschutz gegen behördliche Maßnahmen, die keinen Verwaltungsakt darstellen oder wenn die Sicherung der bisherigen Rechtsposition einen Verwaltungsakt der Behörde erfordert. So kommt eine einstweilige Anordnung in Betracht, wenn die Zwangsvollstreckung im Einzelfall unbillig ist (§ 258 AO; auch s. Rz. 12), wobei über den Weg der einstweiligen Anordnung keine endgültige (keine Vorwegnahme der Hauptsache!), sondern nur eine einstweilige Einstellung der Vollstreckung erreicht werden kann. Neben dem Verfahren auf einstweilige Einstellung der Vollstreckung kann auch die Aussetzung der Vollziehung der anfechtbaren Vollstreckungshandlung begehrt werden (BFH v. 15.01.2003, V S 17/02, BFH/NV 2003, 738). Anwendung findet § 114 Abs. 1 Satz 1 FGO z. B. auch, wenn die Finanzbehörde einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellt (BFH v. 25.02.2011, VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017; BFH v. 31.08.2011, VII B 59/11, BFH/NV 2011, 2105), zur Verhinderung der Weitergabe von Mitteilungen an Dritte (BFH v. 15.01.2008, VII B 149/07, BStBl II 2008, 337), zur Untersagung der Offenbarung von durch das Steuergeheimnis geschützten Verhältnissen (BFH v. 16.10.1986, V B 3/86, BStBl II 1987, 30), einschließlich der Versendung von Kontrollmaterial (BFH v. 25.07.2000, VII B 28/99, BStBl II 2000, 643) und auf Spontanauskünfte (s. Rz. 4).
Tz. 12
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Liegt ein Anordnungsanspruch vor, bedarf es der Prüfung, ob ein Anordnungsgrund gegeben ist. Erforderlich ist, dass ohne die einstweilige Anordnung die Verwirklichung des Anordnungsanspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert würde (Loose in Tipke/Kruse, § 114 FGO Rz. 22; Koch in Gräber, § 114 FGO Rz. 42). Ob tatsächlich eine solche Gefährdungslage vorliegt, ist nicht nach den subjektiven Vorstellungen des Antragstellers, sondern nach objektiven Merkmalen zu beurteilen. Erforderlich ist eine konkrete Gefährdung, dass bis zur Entscheidung in der Hauptsache Nachteile entstehen; insoweit müssen die Umstände darauf hindeuten, dass mit einem unmittelbaren Eintreten rechtserheblicher Veränderungen zu rechnen ist. In der Praxis werden an die Darlegung des Anordnungsgrundes hohe Anforderungen gestellt. Dies gilt z. B. auch bei dem häufigen Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung (§ 258 AO), hier muss die behauptete konkrete Existenzgefährdung detailliert dargetan werden.