a) Aufhebung und Änderung
Tz. 29
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Der Steuerbescheid "darf" aufgehoben oder geändert werden. Die Finanzbehörde hat nach pflichtgemäßen Ermessen (§ 5 AO) zu handeln (z. B. BFH v. 28.04.1998, IX R 49/96, BStBl II 1998, 458; FG Köln v. 29.01.2014, 7 K 2316/13, EFG 2014, 1061 m. w. N.). Wegen des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung ist der Ermessensspielraum jedoch, wenn das Begehren des Stpfl. mit dem materiellen Recht im Einklang steht, auf Null reduziert (s. Rz. 15; so auch FG Köln v. 29.01.2014, 7 K 2316/13, EFG 2014, 1061). Im Übrigen ist einem fristgerecht und sachlich gerechtfertigten Antrag auf Änderung zugunsten des Stpfl. stattzugeben, da im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen ist, dass der Steuerbescheid bei fristgerechtem Einspruch zu ändern wäre (von Wedelstädt in Bartone/von Wedelstädt, Rz. 759). Einen Antrag des Stpfl. auf Änderung zu seinen Ungunsten kann die Finanzbehörde ebenfalls wegen des Grundsatzes der gesetzmäßigen und gleichmäßigen Erhebung der Steuern nicht ablehnen.
b) Umfang der Korrektur
Tz. 30
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Der Umfang der Maßnahme nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO bestimmt sich ausschließlich nach dem Inhalt der erteilten Zustimmung bzw. des gestellten Antrags (von Wedelstädt in Gosch, § 172 AO Rz. 167 m. w. N.). Darüber hinaus findet – abgesehen von der durch § 177 AO begründeten Saldierungsmöglichkeit – eine Wiederaufrollung des Falles nicht statt. Die Finanzbehörde ist also im Übrigen an die im ursprünglichen Bescheid getroffene materielle Regelung gebunden, dessen (materielle) Bestandskraft insoweit unberührt bleibt. Nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO sind Aufhebung oder Änderung nur innerhalb der Festsetzungsfrist zulässig. Ein vor Ablauf dieser Frist gestellter Antrag nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO hemmt jedoch den Ablauf der Festsetzungsfrist so lange, bis über den Antrag unanfechtbar entschieden ist (§ 171 Abs. 3 AO).
Tz. 31
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Wegen der Wirkungen des die Aufhebung bzw. Änderung beinhaltenden Bescheids, insbes. sein Verhältnis zum bisherigen Bescheid s. Vor §§ 172–177 AO Rz. 23 f. Zur Anwendung der Vorschrift auf Einspruchsentscheidungen s. Rz. 41 f.
c) Fehlen eines Antrags oder der Zustimmung
Tz. 32
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Fehlt der Antrag oder die Zustimmung des Stpfl., so tritt folgende Rechtsfolge ein: Da § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO die Zulässigkeit der Änderung bzw. Aufhebung des bisherigen Bescheids von der Zustimmung bzw. dem Vorliegen eines entsprechenden, mit den Auswirkungen des neuen Bescheids zielgleichen Begehrens abhängig macht, ist ein ohne entsprechenden Antrag bzw. entsprechende Zustimmung erlassener Bescheid rechtswidrig. Es handelt sich nicht um einen Fehler i. S. des § 125 AO, sodass der geänderte Steuerbescheid oder gleichgestellte Bescheid nicht nichtig und damit unwirksam ist (§ 124 Abs. 3 AO), sondern gem. § 124 Abs. 2 AO wirksam bleibt, solange und soweit er nicht aufgehoben wird (ebenso Loose in Tipke/Kruse, § 172 AO Rz. 41 m. w. N.). Es handelt sich um einen Verfahrensfehler i. S. des § 126 Abs. 1 Nr. 1 AO, der unbeachtlich ist, wenn der entsprechende Antrag bzw. die ihm insoweit gleichzustellende Zustimmung nachträglich gestellt bzw. erteilt wird. Zu beachten ist dabei aber, dass der Antrag auf Änderung zugunsten des Stpfl. nach Ablauf der Einspruchsfrist nicht nachgeholt werden kann (s. Rz. 28b). Solange dies nicht geschieht, bleibt der Fehler beachtlich, der Bescheid also rechtswidrig. Wird er im Hinblick auf diese Rechtswidrigkeit angefochten, ist er aufzuheben. Für einen Einspruch gegen einen zugunsten des Stpfl. erlassenen Änderungsbescheids dürfte in aller Regel das Rechtsschutzinteresse fehlen (vgl. von Wedelstädt in Bartone/von Wedelstädt, Rz. 757). § 127 AO – nach dem die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht nach § 125 AO nichtig ist, nicht alleine deshalb beansprucht werden kann, weil er unter Verletzung der Vorschriften über das Verfahren zustande gekommen ist – greift nicht ein, weil die getroffene Sachentscheidung durch die Verfahrensverletzung bedingt ist.
d) Abhilfebescheid
Tz. 33
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Vorschriften über die Aufhebung und Änderung von Steuerbescheiden und ihnen gleichgestellten Bescheiden gelten auch während des Einspruchs- und Klageverfahrens (§ 132 Abs. 1 AO; BayLfSt v. 03.12.2007, S-0622-27 St 41 M). Die Vorschrift des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO ist während dieser Verfahren auch anwendbar, soweit die Finanzbehörde einem Einspruch oder einer Klage abhilft. Wird der angefochtene Bescheid während eines Einspruchsverfahrens oder Finanzgerichtsprozesses geändert bzw. aufgehoben, richtet sich die Rechtsgrundlage der Abhilfe mangels Regelung bei den Vorschriften über das Einspruchsverfahren (§§ 347ff. AO) und in der FGO aufgrund des Verweises in § 132 AO folglich nach den Korrekturnormen der §§ 129, 130 f., 164 f., 172 ff. AO. Die Änderung oder Aufhebung eines Steuerbescheids richtet sich im Einspruchsverfahren und im Klageverfahren nach § 172 Abs. 1 ...