Tz. 17
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 3 Abs. 1 AO, wonach Steuern allen aufzuerlegen sind, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft, verbindet den Steuerbegriff mit dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Das bedeutet, dass eine öffentlich-rechtliche Abgabe, die nicht von vornherein abstrakt darauf angelegt ist, gleichmäßig erhoben zu werden, keine Steuer darstellt. Die Gleichmäßigkeit der Besteuerung wird damit zum integralen Bestandteil des Steuerbegriffs. Sie findet ihren Ausdruck auch in § 85 Satz 1 AO (s. § 85 AO Rz. 2).
Tz. 18
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung ist eine Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG). Dementsprechend lautete bereits Art. 134 WRV: "Alle Staatsbürger ohne Unterschied tragen im Verhältnis ihrer Mittel zu allen öffentlichen Lasten nach Maßgabe der Gesetze bei". Die Gleichmäßigkeit der Besteuerung bildet allerdings nur eine formale Seite des Art. 3 Abs. 1 GG ab. Denn auch ein Steuergesetz, das inhaltlich gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, kann i. S. v. § 3 Abs. 1 AO gleichmäßig angewandt werden. Eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG unter dem hier betrachteten formalen Aspekt des gleichmäßigen Vollzugs von Steuergesetzen nimmt das BVerfG bei einem sog. strukturellen Vollzugsdefizit an: Der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verlangt für das Steuerrecht, dass die Stpfl. durch ein Steuergesetz auch tatsächlich gleich belastet werden. Die Besteuerungsgleichheit hat mithin als ihre Komponenten auch die Gleichheit bei deren Durchsetzung in der Steuererhebung. Daraus folgt, dass das materielle Steuergesetz in ein normatives Umfeld eingebettet sein muss, welches die Gleichheit der Belastung auch hinsichtlich des tatsächlichen Erfolges prinzipiell gewährleistet. Eine Besteuerung, die nahezu allein auf der Erklärungsbereitschaft des Stpfl. beruht, weil die Erhebungsregelungen Kontrollen der Steuererklärungen weitgehend ausschließen, wirkt im Ergebnis so, als hätte die Steuer ihren Belastungsgrund letztlich nur in der Bereitschaft, Steuern zu zahlen. Hierin liegt eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG, mag das Gesetz auch inhaltlich den Vorgaben des GG genügen (zum Vorstehenden insbes. BVerfG v. 27.06.1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239; BVerfG v. 09.03.2004, 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94).
Tz. 19
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Durchbrechungen des Grundsatzes der Gleichmäßigkeit der Besteuerung bedürfen im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 AO einer verfassungsrechtlich tragfähigen Rechtfertigung. Soweit z. B. §§ 163, 227 AO eine solche Durchbrechung begründen, sind sie durch Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) bzw. Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) gerechtfertigt. Finanzverwaltung, Rechtswissenschaft und Rechtspraxis sind bislang die Antwort darauf schuldig geblieben, ob vor diesem Hintergrund der "Verzicht" auf Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis in der Insolvenz des Stpfl. immer eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung findet; der bloße Verweis auf die InsO taugt dazu jedenfalls nicht.
Tz. 20
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
vorläufig frei