Tz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Vorschrift entspricht § 123 VwGO; ihre Übernahme in das Abgabenverfahren macht das Bestreben des Gesetzgebers deutlich, den Steuerpflichtigen jede nur denkbare Form des Rechtsschutzes zugänglich zu machen. Zudem ergibt sich die Notwendigkeit des vorläufigen Rechtsschutzes aus der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG. Gleichwohl ist die Bedeutung von Anträgen auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in der Praxis gering; die weitaus größere Zahl der Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sind Anträge auf Aussetzung der Vollziehung (§ 69 FGO).

Der allgemeine Grundsatz, dass der Finanzrechtsweg nur für jemanden geöffnet ist, der eigene Rechte gegenüber der Verwaltung verfolgt (§ 40 Abs. 2 AO), gilt auch für den Antrag auf einstweilige Anordnung (BFH v. 23.10.1985, VII B 28/84, BStBl II 1986, 26). Ist der Finanzrechtsweg in der Hauptsache nicht gegeben, so ist selbstverständlich auch keine einstweilige Anordnung zulässig.

Das Rechtsschutzsystem der FGO geht davon aus, dass der Stpfl. gerichtlichen Rechtsschutz erst nach einer ihn belastenden behördlichen Maßnahme erlangen kann. Dann gewähren Aussetzung der Vollziehung oder die einstweilige Anordnung effektiven (einstweiligen) Rechtsschutz. Deshalb gehen die Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes einer auf eine Unterlassung behördlicher Maßnahmen gerichteten (vorbeugenden) Unterlassungsklage grds. vor. Eine Unterlassungsklage kann nur ausnahmsweise dann zulässig sein, wenn das erstrebte Rechtsschutzziel mit einstweiliger Anordnung oder Aussetzung der Vollziehung nicht erreicht werden kann. Diese Voraussetzung kann nur dann erfüllt sein, wenn ein Abwarten der Rechtsverletzung unzumutbar ist, weil mit ihrem Eintritt auch in Ansehung einstweiliger Rechtsschutzmöglichkeiten nur schwer wieder gut zu machende Schäden zu befürchten sind (BFH v. 11.11.2012, VII R 69/11, BFH/NV 2013, 739).

 

Tz. 2

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die einstweiligen Anordnungen gleichen dem Rechtsinstitut der einstweiligen Verfügung im Zivilprozess; sie sind – wie auch der Verweis in § 114 Abs. 3 FGO zeigt – §§ 935, 940 ZPO nachgebildet. Ihr Gegenstand ist die Sicherung von Rechten des Antragstellers (sog. Sicherungsanordnung, § 114 Abs. 1 Satz 1 FGO) sowie die vorläufige Regelung streitiger Rechtsverhältnisse (sog. Regelungsanordnung, § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO). Der Anwendungsbereich von § 114 FGO wird durch § 114 Abs. 5 FGO eingeschränkt. Danach gelten die § 114 Abs. 3 bis 5 FGO nicht, soweit eine Aussetzung der Vollziehung in Betracht kommt. Dies gilt auch, wenn vorläufiger Rechtsschutz in einem Zeitpunkt begehrt wird, in dem der anfechtbare Verwaltungsakt noch nicht ergangen ist, sein Erlass einstweilen verhindert werden soll. Die Sperrwirkung des § 114 Abs. 5 FGO schließt jedoch den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht schlechthin im Zusammenhang mit Anfechtungsklagen aus; vielmehr ist § 114 Abs. 5 FGO vor dem Hintergrund von Art. 19 Abs. 4 GG dahin zu interpretieren, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung nur insoweit nicht in Frage kommt, als § 69 FGO ausreichenden vorläufigen Rechtsschutz bietet. Der Anwendungsbereich des § 114 FGO erstreckt damit auf den Bereich nicht vollziehbarer Verwaltungsakte. So kommt bei Feststellungs-, Verpflichtungsklagen und allgemeinen Leistungsklagen vorläufiger Rechtsschutz regelmäßig nur durch Erlass einer einstweiligen Anordnung in Betracht (BFH v. 05.11.1988, II B 28/88, BStBl II 1988, 730; BFH v. 14.04.1989, III B 5/89, BStBl II 1990, 351). Die einstweilige Anordnung soll ferner bei Klagen auf Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts Anwendung finden, dessen Aussetzung der Vollziehung (§ 69 FGO bzw. § 361 AO) wegen Unanfechtbarkeit entfällt (s. BFH v. 01.10.1981, IV B 13/81, BStBl II 1982, 133; BFH v. 19.04.1988, VII B 167/87, BFH/NV 1989, 36; krit. Wagner in FS Kruse, 735, 741). Eine Übernahme des auch im Vollstreckungsrecht der AO (§ 324 AO) für Geldleistungen zulässigen Sicherungsmittels des (dinglichen) Arrestes in das finanzgerichtliche Verfahren kann aus § 114 FGO nicht hergeleitet werden. Die Aufführung einschlägiger Vorschriften der ZPO in § 114 Abs. 3 FGO zielt nur auf deren entsprechende Anwendung für einstweilige Anordnungen über andere Leistungen als Geldleistungen. Auch § 151 Abs. 2 FGO (Nr. 2) erwähnt den Arrest nicht.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Kühn, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung (Schäffer-Poeschel) enthalten. Sie wollen mehr?