Karl Blesinger, Dr. Andreas Viertelhausen
Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Wie bereits in der Vorbemerkung zum materiellen Steuerstrafrecht (s. vor § 369 AO) dargelegt, enthalten auch die Vorschriften der Abgabenordnung über das Straf- und Bußgeldverfahren keine selbstständigen und abgeschlossenen Regelungen, sondern nur Ergänzungen des allgemein geltenden Verfahrensrechts für den Bereich der Steuerstraftaten. Soweit die §§ 385ff. AO nichts Abweichendes bestimmen, finden die Strafprozessordnung, das Gerichtsverfassungsgesetz und das Jugendgerichtsgesetz auch für das Steuerstrafverfahren Anwendung. Das Verfahren wegen Steuerordnungswidrigkeiten (Bußgeldverfahren) regelt der zweite Teil des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten. Die Ergänzungen dieser allgemeinen Verfahrensvorschriften betreffen in erster Linie die Einzelheiten der den Finanzbehörden vorbehaltenen Kompetenz zur Ermittlung von Steuerstraftaten bzw. -ordnungswidrigkeiten, die ihnen dabei zustehenden Rechte und obliegenden Pflichten, die Abgrenzung ihrer Funktion gegenüber der Staatsanwaltschaft und die Stellung der Finanzbehörden im gerichtlichen Verfahren wegen der Taten.
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Aufgrund der Urt. des BVerfG vom 06.06.1967 (BVerfG 2 BvR 375/60, 2 BvR 53/60, 2 BvR 18/65, BStBl III 1967, 443) verloren die Finanzämter das Recht, Strafbescheide zu erlassen und Unterwerfungsverhandlungen abzuschließen (s. §§ 445, 447 AO 1931). Das Gericht hatte befunden, dass das Recht, auf Kriminalstrafe zu erkennen, ausschließlich den Richtern anvertraut ist und niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf. Die Finanzämter wurden auf die Ermittlung der Steuervergehen beschränkt, erhielten aber auch die Befugnis, den Erlass eines Strafbefehls zu beantragen, wenn sie sich nicht für eine Abgabe der Sache an die Staatsanwaltschaft zur Erhebung der öffentlichen Klage entscheiden. Im gerichtlichen Verfahren verloren die Finanzämter ihre bisherige Stellung als Nebenkläger. Sie wurden auf ein Anhörungsrecht beschränkt.
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Bei den Landgerichten bestehen besondere Wirtschaftsstrafkammern, die auch für Steuer- und Zollstraftaten zuständig sind (s. § 74c GVG). Für die Amtsgerichte sieht § 391 AO eine Konzentration der örtlichen Zuständigkeit vor.
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Finanzämter können als sachlich zuständige Verwaltungsbehörde Steuerordnungswidrigkeiten durch Erlass von Bußgeldbescheiden in eigener Zuständigkeit ahnden (s. § 36 OWiG).