Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 5 AO definiert nicht das Ermessen, sondern regelt die Anwendung des Ermessens für sämtliche Ermessensvorschriften (BFH v. 26.06.2007, VII R 35/06, BStBl II 2007, 742). Die Vorschrift setzt eine Ermächtigungsgrundlage voraus und bietet nur den Rahmen und die Grenzen der Ermessensausübung (wie § 40 VwVfG). Der Anwendungsbereich der Vorschrift erfasst hauptsächlich Steuerverwaltungsakte i. S. des § 118 AO und hat gerade für die Abwehrberatung eine große praktische Relevanz.
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Verfassungsmäßige Bedenken gegen die Zulässigkeit von Ermessensermächtigungen sind nicht begründet. Zum einen beschränken der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) und das Prinzip der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) die Exekutive jedenfalls im Bereich der Eingriffsverwaltung auf die Ausführung der Gesetze. Diese Prinzipien gebieten eine inhaltliche Normierung der Tätigkeit der Verwaltung durch Gesetz (BVerfG v. 14.07.1998, 1 BvR 1640/97, BVerfGE 98, 218). Besonders bei belastenden Vorschriften verlangt das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) Bestimmtheit (s. Rz. 9, auch s. § 4 AO Rz. 9). Diesem Erfordernis ist aber auch bei Steuerrechtsnormen genügt, wenn der Gesetzgeber die wesentlichen Bestimmungen mit hinreichender Genauigkeit trifft. Er braucht nicht jede einzelne Frage zu entscheiden und ist hierzu angesichts der Kompliziertheit der zu erfassenden Vorgänge gar nicht in der Lage (BVerfG v. 08.08.1978, 2 BvL 8/77, BVerfGE 49, 89, 145; vgl. Bartone in Rensen/Brink, S. 305 ff.; s. Rz. 9). Zum anderen steht auch der Gleichheitssatz der gesetzlichen Einräumung von Ermessen nicht entgegen, soweit dies der Einzelfallgerechtigkeit dient (Wernsmann in HHSp, § 5 AO Rz. 36). Steuergesetze gewähren die Entscheidungsspielräume aus Gründen der Flexibilität, das Ermessen ist dabei auf den Einzelfall ausgerichtet, wie dies z. B. im Haftungsrecht (§ 191 Abs. 1 Satz 1 AO) oder im Vollstreckungsrecht (§§ 249ff. AO) geboten ist. Im Gegensatz dazu besteht eine gesetzliche Bindung, wenn das Gesetz in Tatbestand und Rechtsfolge die Voraussetzungen und den Inhalt des Verwaltungshandelns festlegt, dann existiert keine Handlungsalternative. Dies gilt namentlich für die Steuerfestsetzung (§§ 85 Satz 1, 155 Abs. 1 Satz 1 AO; s. § 155 AO Rz. 7; s. § 3 AO Rz. 14). Ausnahmsweise kann sich aber auch bei der Anwendung von Rechtsnormen, die der Finanzbehörde grds. Ermessen einräumen, im Einzelfall erweisen, dass nur eine einzige Rechtsfolge rechtmäßig ist (sog. Ermessensreduzierung auf null; s. Rz. 19)