Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Vorschrift betrifft Billigkeitsmaßnahmen im Erhebungsverfahren. Gegenstand des Erlasses aus Billigkeitsgründen können alle Geldansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sein (§ 37 Abs. 1 AO; BFH v. 25.11.1997, IX R 28/96, BStBl II 1998, 550).
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Der Erlass von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis ist eine Billigkeitsmaßnahme, die in das pflichtgemäße Ermessen der zuständigen Verwaltungsbehörden gestellt ist (§ 5 AO; BFH GrS v. 28.11.2016, GrS 1/15, BStBl II 2017, 393), wobei das Ermessen nicht voraussetzungslos besteht, sondern unter der Voraussetzung, dass die Erhebung bzw. Einziehung der Steuer unbillig wäre. Der Zweck der Vorschrift liegt darin, sachlichen und persönlichen Besonderheiten des Einzelfalls, die der Gesetzgeber in der Besteuerungsnorm nicht berücksichtigt hat, durch eine den Steuerbescheid selbst nicht ändernde Korrektur des Steuerbetrags insoweit Rechnung zu tragen, als sie die steuerliche Belastung als unbillig erscheinen lassen (BFH v. 17.04.2013, X R 6/11, BFH/NV 2013, 1537). Das Wesen von Billigkeitsmaßnahmen i. S. des § 227 AO liegt somit nicht in einer Ermächtigung der Finanzbehörden zur Änderung des Rechts selbst, sondern zu einer der Steuergerechtigkeit angemessenen Gestaltung der Rechtsfolgen im Einzelfall. Ermessensreduktion auf null, sofern gemeinschaftsrechtliche Regelungen eine Billigkeitsmaßnahme erfordern (BFH v. 30.06.2015, VII R 30/14, BFH/NV 2015, 1611).
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Billigkeitsvorschriften gibt es auch an anderen Stellen: § 163 AO normiert die abweichende Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen. Inhaltlich ist der Begriff der "Unbilligkeit" in § 227 AO und § 163 AO identisch (BFH GrS v. 28.11.2016, GrS 1/15, BStBl II 2017, 393). Als lex specialis zu §§ 227 und 163 AO sieht § 234 Abs. 2 AO den Verzicht von Stundungszinsen aus Billigkeitsgründen vor. Zur Erstattung und zum Erlass von Einfuhr- und Ausfuhrabgaben s. Art. 116 ff. UZK (s. auch Deimel in HHSp, Art. 116 UZK Rz. 22 ff., 34; Art. 117 UZK Rz. 14 und Art. 19 UZK Rz. 21). §§ 32, 33 GrStG gewähren unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Erlass von Grundsteuer. Anders als bei den Billigkeitsvorschriften der AO (§§ 163, 227, 234 Abs. 2 AO) hat die Behörde in den Fällen von §§ 32, 33 GrStG keinen Ermessensspielraum (gebundene Entscheidung; s. BFH v. 10.08.1988, II R 10/86, BStBl II 1989, 13).
Tz. 3a
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Im Insolvenzverfahren (außergerichtlicher und gerichtlicher Schuldenbereinigungsplan, Zustimmung zum Insolvenzplan) sind die materiellen Anforderungen an den Erlass von Steuerforderungen (§§ 163, 227 AO) nicht ohne Weiteres übertragbar, sondern unter Einbeziehung der Zielsetzungen der InsO anzuwenden (s. Bartone, AO-StB 2005, 155; § 163 AO Rz. 5; Loose in Tipke/Kruse, § 227 AO Rz. 13 ff.; Rüsken in Klein, § 227 AO Rz. 24).
Tz. 3b
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Bei Vorliegen der Voraussetzungen eines unionsrechtlichen Entschädigungsanspruchs kann ein Erlass in Betracht kommen. Mangels einer Unionsregelung über die Erstattung zu Unrecht erhobener inländischer Abgaben ist es Aufgabe des innerstaatlichen Rechts der einzelnen Mitgliedsstaaten, insoweit die Verfahrensmodalitäten zu regeln (BFH v. 23.11.2006, V R 67/05, BStBl II 2007, 433; BFH v. 05.09.2009, V B 52/08, BFH/NV 2009, 1593; BFH v. 16.09.2010, V R 57/09, BStBl II 2011, 151).