Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 351 AO ist keine selbstständige Änderungsvorschrift. Vielmehr wird die Abänderbarkeit eines bestandskräftigen Verwaltungsaktes vorausgesetzt und bezieht sich der Regelungsgehalt des § 351 AO auf den Abänderungsbescheid. § 351 AO schränkt die Einspruchsbefugnis eines beschwerten Steuerpflichtigen (§ 350 AO) sachlich ein, indem er den Umfang angibt, in dem abgeänderte Verwaltungsakte angefochten werden können. Die Vorschrift normiert damit die Bindungswirkung zuvor ergangener Verwaltungsakte aufgrund formeller Bestandskraft (BFH v. 02.09.1987, I R 162/84, BStBl II 1988, 142). Hieraus ergibt sich, dass formell bestandskräftige Verwaltungsakte nur noch aus materieller Sicht anfechtbar sind (BFH 27.10.2015 X R 44/13, BStBl II 2016, 278). § 351 AO hat lediglich klarstellende Wirkung, da sich die Grenzen der Anfechtbarkeit bereits aus der rechtlichen Einordnung von Änderungsbescheiden an sich ergibt. Ein Änderungsbescheid trifft nur im Umfang der Änderung eine neue Regelung, während der übrige Inhalt des ursprünglichen Bescheids lediglich wiederholt wird. Die wiederholende Verfügung ist aber nicht erneut angreifbar. Die Beschwer (§ 350 AO) beschränkt sich auf die neue Regelung und grenzt damit bereits den Umfang der Einspruchsbefugnis ein (auch Seer in Tipke/Kruse, § 351 AO Rz. 3). Folgt man der Auffassung des BFH, so tritt der Änderungsbescheid an die Stelle des geänderten Bescheids. § 351 AO ist dann eine eigenständige (einschränkende) Zulässigkeitsvoraussetzung (BFH v. 24.07.1984, VII R 122/80, BStBl II 1984, 791; BFH v. 25.10.1972, GrS 1/72, BStBl II 1973, 231; BFH v. 19.01.1977, I R 89/74, BStBl II 1977, 517; auch Siegers in HHSp, § 351 AO Rz. 10).
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Ähnlich ist das Verhältnis des Grundlagenbescheides zum Folgebescheid. Wird ein Einspruch gegen einen Folgebescheid lediglich mit Mängeln des Grundlagenbescheides begründet, ist der Einspruch unzulässig, da nicht geltend gemacht wird, durch den Folgebescheid beschwert zu sein (Szymczak in K/S, § 351 AO Rz. 14; Rätke in Klein, § 351 AO Rz. 20 ff.; Seer in Tipke/Kruse, § 351 AO Rz. 54; BFH v. 11.07.1996, IV R 67/95, BFH/NV 1997, 114; FG Bln v. 02.06.1986, VIII 12/85, EFG 1986, 610). Dagegen steht der BFH auf dem Standpunkt, der Einspruch sei zwar zulässig aber unbegründet, da der Einspruchsführer mit den Einwendungen gegen den Grundlagenbescheid konkludent behaupte, der Folgebescheid würde ihn in seinen Rechten verletzen (BFH v. 12.10.2011, VIII R 2/10, BFH/NV 2012, 776; BFH v. 09.11.2005, I R 10/05, BFH/NV 2006, 750; BFH v. 15.10.2003, X R 48/01, BStBl II 2004, 169).
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Einschränkungen des § 351 Abs. 1 und 2 AO stehen unabhängig nebeneinander. D. h. bei der Anfechtung eines Änderungsfolgebescheides wird die Einspruchsbefugnis durch beide Absätze beschränkt. Die Voraussetzungen sind getrennt zu prüfen Der Einspruchsführer kann den geänderten Folgebescheid nur anfechten, soweit die Änderung reicht (§ 351 Abs. 1 AO); er darf dabei keine Gründe heranziehen, die die Rechtmäßigkeit des Grundlagenbescheides betreffen (§ 351 Abs. 2 AO).