Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Nach § 160 AO ist regelmäßig die steuermindernde Berücksichtigung von Schulden und Ausgaben zu versagen, wenn der Stpfl. dem Verlangen des FA nicht nachkommt, den Gläubiger oder Empfänger genau zu benennen. Die Vorschrift dient allein der Verhinderung von Steuerausfällen beim Geschäftspartner des Stpfl., die dadurch entstehen, dass der Empfänger von steuermindernd geltend gemachten Ausgaben usw. diese bei sich nicht als Einnahmen steuerlich erfasst (BFH v. 25.02.2004, I R 31/03, BStBl II 2004, 582 m. w. N.). Außersteuerliche Ziele wie die Verhinderung allgemein unerwünschter unsauberer Geschäftsmethoden o. Ä. sind nicht Aufgabe des Steuerrechts (zu Recht Frotscher in Schwarz/Pahlke, § 160 AO Rz. 3 ff.; a. A. BFH v. 17.12.1980, I R 148/76, BStBl II 1981, 333 m. w. N.).
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Zwar richtet sich das Benennungsverfahren gegen den Stpfl., doch ist sein Ziel die Feststellung und Erfassung der den Ausgaben und Schulden korrespondierenden steuerbegründenden oder steuererhöhenden Besteuerungsgrundlagen beim Vertragspartner des Stpfl. (BFH v. 25.02.2004, I R 31/03, BStBl II 2004, 582 m. w. N.). Es setzt voraus, dass Schulden oder Ausgaben bestehen. § 160 Abs. 1 AO greift dagegen nicht, wenn Zweifel nur an der tatsächlichen Existenz der entsprechenden Schulden, Lasten oder Ausgaben bestehen; in solchen Fällen ist die Finanzbehörde auf die besondere Befugnis nach § 160 AO nicht angewiesen, da ein Abzug ohnehin nicht Betracht kommt (s. Rz. 6). Steht dagegen die Existenz von Schulden, Lasten oder Ausgaben, nicht aber ihre Höhe fest, ist diese zunächst im Schätzungswege zu ermitteln. Eine Schätzung nach § 162 AO ist grundsätzlich unabhängig von der Prüfung eines Abzugsverbots nach § 160 AO durchzuführen. Die Rechtsfolgen des § 160 Abs. 1 Satz 1 AO sind keine Umstände, die i. S. des § 162 Abs. 1 Satz 2 AO für die Schätzung von Bedeutung sind. Sie dürfen also in die Schätzungshöhe nicht einbezogen werden (BFH v. 09.03.2016, X R 9/13, BStBl II 2016, 815). Die bei der Anwendung des § 160 AO zu treffenden Ermessensentscheidungen können eine unterlassene Schätzung nicht ersetzen (AEAO zu § 160, Nr. 2 Satz 3 – 5). Auf eine Schätzung kann allerdings verzichtet werden, wenn die ggf. zu schätzenden Ausgaben ohnehin gem. § 160 AO nicht abziehbar sind (BFH v. 24.06.1997, VIII R 9/96, BStBl II 1998, 51).
Tz. 3
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§ 160 AO trifft die Fälle, bei denen nach den beim Stpfl. festgestellten tatsächlichen Umständen die Vermutung nahe liegt, dass in Bezug auf den Dritten ein Steuerausfall eintreten wird, möglicherweise sogar aus der konkreten Gestaltung des Sachverhalts nach der Lebenserfahrung geschlossen werden kann, dass die Nichtbenennung des Dritten diesem die Nichtversteuerung ermöglichen soll (s. BFH v. 09.08.1989, I R 66/86, BStBl II 1989, 995; Seer in Tipke/Kruse, § 160 AO Rz. 3). Eine dahingehende Absicht oder ein Verschulden des Stpfl. ist jedoch nicht erforderlich (BFH v. 10.03.1999, XI R 10/98, BStBl II 1999, 434).
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Ihrem Wesen nach begründet die Regelung daher im weitesten Sinn eine Art Gefährdungshaftung (BFH v. 05.11.2001, VIII B 16/01, BFH/NV 2002, 312 m. w. N.; kritisch Seer in Tipke/Kruse, § 160 AO Rz. 4 ff.); sie unterscheidet sich von einer solchen allerdings dadurch, dass der Stpfl. nicht für den der Höhe nach ohnehin unbekannten und dem Grunde nach lediglich vermuteten Steuerausfall einzustehen hat, sondern die Finanzbehörde nur in die Lage versetzt wird, sich in einem von den steuerlichen Verhältnissen des Stpfl. abhängigen Umfang an diesem schadlos zu halten, indem sie den gegen ihn gerichteten Anspruch aus seinem Steuerschuldverhältnis durch eine gesetzlich gedeckte Änderung der Besteuerungsgrundlagen erhöht. Bei unerfülltem Benennungsverlangen wird er "gleichsam als Haftender" für fremde Steuerschulden in Anspruch genommen (BFH v. 05.11.2001, VIII B 16/01, BFH/NV 2002, 312). § 160 AO ist keine Strafvorschrift.
Tz. 5
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§ 160 AO verlangt zweistufiges Vorgehen mit doppelter Ermessensausübung. In der ersten Stufe entscheidet das FA nach pflichtgemäßem Ermessen , ob es ein Benennungsverlangen an den Stpfl. stellt, in der zweiten nach pflichtgemäßem Ermessen, ob und in welcher Höhe der Abzug der Ausgaben oder Schulden zu versagen ist (AEAO zu § 160, Nr. 1 Abs. 2 Satz 1 und Nr. 2 Satz 1; BFH v. 25.02.2004, I R 31/03, BStBl II 2004, 582 m. w. N.).