Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Nach § 40 Abs. 1 1. Alt. FGO ist die Anfechtungsklage auf die Aufhebung oder auf die Änderung (§ 100 Abs. 2 FGO) des angefochtenen Verwaltungsaktes gerichtet. Da durch ein stattgebendes Urteil die Rechtslage unmittelbar verändert wird, ist sie Gestaltungsklage (s. Vor FGO Rz. 19). Die Anfechtungsklage ist verwaltungsaktsbezogen, setzt also zwingend das Vorliegen eines Verwaltungsaktes oder zumindest den Rechtsschein eines solchen (z. B. BFH v. 25.02.1999, IV B 36/98, BFH/NV 1999, 1117; BFH v. 28.11.2017, VII R 30/15, BFH/NV 2018, 405) voraus. Die FGO verwendet dabei den Begriff des Verwaltungsaktes i. S. von § 118 AO (s. § 118 AO Rz. 2 ff.).
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Zulässigkeit der Anfechtungsklage setzt das Vorliegen eines Verwaltungsakts (§ 118 AO) voraus. Dies kann auch ein nach § 100 Abs. 2 Satz 3 2. Halbs. FGO neu bekannt gegebener Steuerbescheid sein (BFH v. 08.03.2017, IX R 47/15, BFH/NV 2017, 1044). Fehlt ein solcher, ist die Klage grds. unzulässig und durch Prozessurteil abzuweisen. Ausnahmen sind geboten, wenn durch einen nicht wirksam bekannt gegebenen Verwaltungsakt, der zwar wegen des Bekanntgabefehlers keine Wirksamkeit erlangt (§ 124 Abs. 3 AO), aber den Rechtsschein eines wirksamen Verwaltungsakts erzeugt (BFH v. 10.07.1997, V R 56/95, BFH/NV 1998, 232; FG Sa v. 28.04.1994, 2 K 3/92, EFG 1995, 157; FG Ha v. 29.04.2004, I 134/03, juris). Dies gilt auch für einen nach § 125 AO nichtigen Verwaltungsakt (BFH v. 27.02.1997, IV R 38/96, BFH/NV 1997, 388). Daneben kann die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes mit der Feststellungsklage (§ 41 Abs. 1 FGO) geltend gemacht werden. Die Zulassung der Anfechtungsklage anstelle der Feststellungsklage rechtfertigt sich aus dem Interesse des Betroffenen an der Beseitigung des Rechtsscheins, der von einem nichtigen Verwaltungsakt ausgeht. Die Unsicherheit, ob der Bescheid nur rechtsfehlerhaft oder aber nichtig ist, soll nicht zulasten des Stpfl. gehen (BFH v. 07.08.1985, I R 309/82, BStBl II 1986, 42; BFH v. 24.05.2006, I R 9/05, BFH/NV 2006, 2019). Für den Kläger empfiehlt es sich daher neben einer Feststellungsklage hilfsweise Anfechtungsklage zu erheben, um zu verhindern, dass bei fehlender Nichtigkeit (die zur Abweisung der Feststellungsklage als unbegründet führt) die Anfechtungsklage wegen Ablaufs der Klagefrist (§ 47 FGO) unzulässig ist (hierzu auch Seer in Tipke/Kruse, § 40 FGO Rz. 9). Hat sich der Verwaltungsakt erledigt, kommt eine Fortsetzungsfeststellungsklage in Betracht (dazu s. § 100 FGO Rz. 22 ff.).
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Zur isolierten Anfechtung von Einspruchsentscheidungen s. § 44 FGO Rz. 7. Die (isolierte) Anfechtung von Nebenbestimmungen i. S. von § 120 AO kommt nach der Rspr. des BFH nur insoweit in Betracht, als es sich dabei um Verwaltungsakte handelt. Dies gilt hiernach lediglich für Auflagen (§ 120 Abs. 2 Nr. 4 AO) und für den Auflagenvorbehalt (§ 120 Abs. 2 Nr. 5 AO; s. BFH v. 13.08.1991, VIII B 14/87, BFH/NV 1992, 688; BFH v. 20.05.1997, VIII B 108/96, BFH/NV 1997, 462). Diese Auffassung ist jedoch abzulehnen: Bei allen Nebenbestimmungen i. S. des § 120 AO handelt es sich um unselbstständige Ergänzungen ("funktionelle Bestandteile") eines Verwaltungsakts (§ 118 AO). Sie sind nur denkbar im Zusammenhang mit einem Verwaltungsakt und haben deshalb keinen eigenständigen Regelungsgehalt. Daher sind sie auch – unterschiedslos – nicht selbstständig anfechtbar, sondern können nur im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen den Verwaltungsakt angegriffen werden (zutr. Seer in Tipke/Kruse, § 40 FGO Rz. 10; a. A. Fritsch in Koenig, § 120 AO Rz. 47; Ratschow in Klein, § 120 AO Rz. 11; Güroff in Gosch, § 120 AO Rz. 15 f.; Levedag in Gräber, § 40 FGO Rz. 58; Kopp/Ramsauer, § 36 VwVfG Rz. 61 ff.; zum Streitstand auch Söhn in HHSp, § 120 AO Rz. 192 f.; s. § 120 AO Rz. 10 f.).
Tz. 5
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Mitunter bereitet die Abgrenzung von Anfechtungs- und Verpflichtungsklage Schwierigkeiten, insbes. wenn der Kläger die Entscheidung über die Gewährung einer Steuervergütung oder ähnlicher Leistungen begehrt. Da die Ablehnung, einen beantragten Verwaltungsakt zu erlassen, selbst einen Verwaltungsakt darstellt, kann dieser mit der Anfechtungsklage angefochten werden, jedoch erreicht der Kläger damit noch nicht sein eigentliches Ziel, nämlich den Erlass des begehrten Verwaltungsakts. Daher hilft hier nur die Verpflichtungsklage weiter. Ob für eine in diesem Fall erhobene Anfechtungsklage das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, entscheidet sich nach den Umständen des Einzelfalls (auch von Beckerath in Gosch, § 40 FGO Rz. 77 ff.; Levedag in Gräber, § 40 FGO Rz. 18 f.; Seer in Tipke/Kruse, § 40 FGO Rz. 16). Nach der Rspr. des BFH ist bei der Ablehnung eines InvZul-Antrags aus formellen Gründen die Verpflichtungsklage gegeben, während bei einer Ablehnung aus sachlichen Gründen die Anfechtungsklage in Form der Abänderungsanfechtungsklage (§§ 40 Abs. 1 1. Alt., 100 Abs. 2 FGO) gegeben ist (BFH v. 20...