I. Begriff
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Voraussetzung für das Wirksamwerden eines Verwaltungsaktes ist neben seiner inhaltlichen Bestimmtheit (s. § 119 Abs. 1 AO), dass er demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen ist, bekannt gegeben wird (s. §§ 122 Abs. 1 Satz 1 AO, 124 Abs. 1 AO). Mit der Bekanntgabe beginnt die Rechtsbehelfsfrist (s. § 355 Abs. 1 AO), sodass dieser Zeitpunkt von entscheidender Bedeutung für die Frage der Verfristung ist.
II. Voraussetzungen
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Eine Bekanntgabe nach § 122 Abs. 1 AO liegt vor, wenn der Verwaltungsakt gesteuert von dem Willen der Behörde dem richtigen Adressaten zugeht.
1. Bekanntgabewille
Tz. 5
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Erforderlich ist, dass ein Amtsträger der Behörde den Willen zur Bekanntgabe hat. Der Bekanntgabewille muss sich auf das "ob" und "wie" der Bekanntgabe erstrecken. Er wird dadurch dokumentiert, dass der Amtsträger den Verwaltungsakt abzeichnet und in den Geschäftsgang zwecks Absendung durch Poststelle gibt. Der zunächst vorhandene Wille kann später wieder aufgegeben werden, jedoch muss die Rechtzeitigkeit der Aufgabe des Bekanntgabewillens in den Akten hinreichend klar und eindeutig dokumentiert sein (BFH v. 23.08.2000, X R 27/98, BStBl II 2001, 662). Fehlt der Bekanntgabewille, wird der Verwaltungsakt nicht wirksam (BFH v. 24.11.1988, V R 123/83, BStBl II 1989, 344; BFH v. 28.05.2009, III R 84/06, BStBl II 2009, 949). Abzugrenzen hiervon ist die Bekanntgabe durch eine örtlich unzuständige Behörde; in diesem Falle gilt § 127 AO.
2. Zugang
Tz. 6
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Die Wirksamkeit des Verwaltungsakts setzt, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist (§ 122 Abs. 3 AO), den Zugang des Verwaltungsakts beim Betroffenen voraus. Entscheidend ist nicht das in dem Bescheid ausgewiesene Datum, sondern der Zugang selbst (BFH v. 20.11.2008, III R 66/07, BStBl II 2009, 185). Für den Begriff des Zugangs gelten die allgemeinen Grundsätze des § 130 Abs. 1 BGB. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist zugegangen, wenn das Geäußerte für den Empfänger verstehbar ist. Ein schriftlicher Verwaltungsakt ist zugegangen, wenn die Sendung derart in den Machtbereich des Empfängers (Inhaltsadressaten) gelangt ist, dass dieser unter Ausschluss unbefugter Dritter von dem Schriftstück Kenntnis nehmen und diese Kenntnisnahme nach den allgemeinen Gepflogenheiten auch von ihm erwartet werden kann (BFH v. 09.12.1999, III R 37/97, BStBl II 2000, 175). Bei einer Übermittlung durch Telefax erfordert dies, dass das empfangene Telefaxgerät den "schriftlich" erlassenen Verwaltungsakt ausdruckt (BFH v. 18.03.2014, VIII R 9/10, BStBl II 2014, 748). Die Übergabe an einen Empfangsboten (z. B. Familienangehörige oder Angestellte) ist ausreichend. Bei postlagernder Zustellung, Postfach oder Postnachsendeauftrag gelten keine Besonderheiten. Die tatsächliche Kenntnisnahme ist unerheblich, sodass ein Schriftstück auch dann zugeht, wenn sich der Empfänger im Urlaub befindet (zur Wiedereinsetzung s. § 110 AO Rz. 15). Wer die Kenntnisnahme verweigert, kann sich auf einen Nichtzugang nicht berufen (BFH v. 19.03.1998, VII B 175/97, BFH/NV 1998, 1447). Wird der Verwaltungsakt nach einem Umzug in die alte Wohnung zugestellt, ist mangels Zugangs die Bekanntgabe nicht erfolgt; denn es besteht nach der AO keine Verpflichtung von Privatpersonen, eine Adressenänderung dem Finanzamt mitzuteilen (s. FG München v. 16.02.1987, XIII 314/84 E, EFG 1987, 333; Seer in Tipke/Kruse, § 122 AO Rz. 13; Güroff in Gosch, § 122 AO Rz. 3).
Ein elektronisch übermittelter Verwaltungsakt ist zugegangen, sobald die für den Empfang bestimmte Einrichtung das Dokument in für den Empfänger bearbeitbarer Weise aufgezeichnet hat (§ 87a Abs. 1 Satz 2 AO, s. § 87a AO Rz. 5 ff.).
III. Heilung von Bekanntgabemängeln
Tz. 7
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Mängel bei der Bekanntgabe eines inhaltlich richtigen Verwaltungsaktes führen dazu, dass der Verwaltungsakt nicht wirksam wird. Wird ein inhaltlich richtiger Verwaltungsakt einem auf der Postsendung unrichtig ausgewiesenen Empfänger/Bekanntgabeadressat übermittelt (z. B. weil die Briefumschläge vertauscht wurden), ist der Verwaltungsakt weder gegenüber dem richtigen noch gegenüber dem falschen Empfänger wirksam (AEAO zu § 122, Nr. 4.3; auch eine Umdeutung ist nicht möglich, s. § 128 AO Rz. 3). Bekanntgabemängel können jedoch unter den Voraussetzungen des entsprechend anwendbaren § 8 VwZG geheilt werden (BFH v. 29.10.1997, X R 37/95, BStBl II 1998, 266; AEAO zu § 122, Nr. 4.4.4). Die Heilung kann zum einen durch die erneute Bekanntgabe bewirkt werden. Ist der Bekanntgabeadressat am Einspruchsverfahren beteiligt und der Einspruch nicht als unzulässig verworfen worden, tritt die Heilung eines fehlerhaft bekannt gegebenen Verwaltungsaktes auch durch ordnungsgemäße Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung ein (BFH v. 16.05.1990, X R 147/87, BStBl II 1990, 942; BFH v. 31.08.1999, VIII R 21/98, BFH/NV 2000, 555; AEAO zu § 122, Nr. 4.4.4). Die Heilung kann zum anderen durch nachträgliche Kenntnisnahme erfolgen. Danach tritt die He...