Karl Blesinger, Dr. Andreas Viertelhausen
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Nr. 1 bis 5 des § 55 Abs. 1 AO zählen die für die notwendige Selbstlosigkeit der Zweckverfolgung unerlässlichen Voraussetzungen auf.
I. Mittelverwendung
Tz. 5
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO darf die Körperschaft die ihr zur Verfügung stehenden Mittel nur für die satzungsmäßigen Zwecke verwenden (zur Vergabe von Darlehen s. AEAO zu § 55, Nr. 16 ff.). Dies muss in dem durch § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO gezogenen zeitlichen Rahmen geschehen – gegenwärtig oder so frühzeitig wie nach den Umständen möglich (Fischer, FR 2004, 147). Von diesem Gebot erfasst sind nicht nur Einkünfte, Vermögenserträge, Spenden und Beiträge, sondern sämtliche Vermögenswerte der Körperschaft (BFH v. 23.10.1991, I R 19/91, BStBl II 1992, 62). Erfasst sind auch die Gewinne aus einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (BFH v. 15.07.1998, I R 156/94, BStBl II 2002, 162). Die Bestimmung wird lediglich durch die in § 58 aufgeführten Ausnahmefälle gelockert. Die Vorschrift schließt damit grundsätzlich auch die Zuführung zugeflossener Mittel zum Kapital aus (s. aber § 58 Nr. 6); keine Bedenken bestehen jedoch gegen die Surrogation von Vermögenswerten (s. auch § 55 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 AO).
Tz. 6
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Mitglieder oder Gesellschafter – Mitglieder i. S. der Vorschrift – dürfen keine Gewinnanteile, auch nicht in verdeckter Form, erhalten (BFH v. 12.10.2010, I R 59/09, BStBl II 2012, 226). Darüber hinaus dürfen ihnen auch keine sonstigen Zuwendungen aus Mitteln der Körperschaft gewährt werden (z. B. Zinsen auf Kapitaleinlagen, Provisionen usw.). Zuwendungen, die nicht mit der Eigenschaft als Mitglieder zusammenhängen, sind jedoch erlaubt (z. B. Gehälter, sonstige Tätigkeitsvergütungen und angemessener Aufwendungsersatz, BFH v. 03.12.1996, I R 67/95, BStBl II 1997, 474, s. aber § 55 Abs. 1 Nr. 3 AO). Zuwendung i. S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 AO ist ein wirtschaftlicher Vorteil, den die Körperschaft bewusst unentgeltlich oder gegen ein zu geringes Entgelt unter Einsatz ihrer Vermögenswerte einem Dritten zukommen lässt (BFH v. 23.10.1991, I R 19/91, BStBl II 1992, 62; Fremdvergleich: BFH v. 27.11.2013, I R 17/12, BStBl II 2016, 68).
Tz. 7
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die in § 55 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 AO angeordnete Schädlichkeit der unmittelbaren oder mittelbaren Unterstützung bzw. Förderung politischer Parteien durch die Mittel der Körperschaft soll der Parteienfinanzierung durch sog. Durchlaufspenden begegnen.
Tz. 8
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Nach § 55 Abs. 3 AO gelten die entsprechenden Beschränkungen bei Stiftungen für die Stifter und ihre Erben und bei Betrieben gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts für die Körperschaft sinngemäß.
II. Abfindung bei Liquidation bzw. Ausscheiden von Mitgliedern
Tz. 9
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 55 Abs. 1 Nr. 2 AO bewirkt, dass bei der Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder beim Ausscheiden von Mitgliedern eine eigentliche Auseinandersetzung nicht stattfindet. Unabhängig von der rechtlichen Gestalt der Körperschaft dürfen die Mitglieder (bei Stiftungen der Stifter und seine Erben, bei Betrieben gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts die Körperschaften, § 55 Abs. 3 AO) an den ggf. vorhandenen stillen Reserven nicht teilhaben. Sie erhalten nur den Nennwert ihrer Bareinlagen und den gemeinen Wert ihrer Sacheinlagen zurück. Hinsichtlich der Ermittlung des gemeinen Werts ist nach § 55 Abs. 2 AO auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Leistung der Einlagen abzustellen. Um zu verhindern, dass stille Reserven, die sich bei der Entnahme aus einem Betriebsvermögen zum Buchwert (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 5 und 6 EStG, bis VZ 2006 Satz 4 und 5) nicht realisiert haben, sich über den Ansatz mit dem gemeinen Wert gem. § 55 Abs. 1 Nr. 2 AO i. V. m. § 55 Abs. 2 AO zugunsten der Stifter usw. bzw. einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft auswirken, ordnet § 55 Abs. 3 AO in solchen Fällen den Ansatz des Buchwerts der Entnahme an.
Tz. 10
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Werden Sacheinlagen in natura zurückgegeben, so wird der Empfänger etwaige inzwischen eingetretene Wertsteigerungen ohne Rücksicht darauf ausgleichen müssen, ob diese durch die Körperschaft konkret herbeigeführt worden sind. Anderenfalls würde gegen § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO verstoßen. Aus dieser Überlegung zeigt sich im Übrigen, dass § 55 Abs. 1 Nr. 2 AO ohnehin nur einen speziellen Anwendungsfall des § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO darstellt.
III. Verbotene Ausgaben und Vergütungen
Tz. 11
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 55 Abs. 1 Nr. 3 AO verdeutlicht lediglich spezielle Anwendungsfälle des § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO. Die Körperschaft darf keine Person durch Ausgaben begünstigen, die dem Zweck der Körperschaft fremd sind. Hierzu gehören auch unverhältnismäßig hohe Vergütungen. Solche Ausgaben gehören nicht zum Aufgabengebiet der Körperschaft und erfüllen keine steuerbegünstigten Zwecke i. S. der §§ 52 bis 54 AO. Ohne Bedeutung ist, ob die begünstigte Person ein Mitglied oder ein Dritter ist. Hiernach wäre z. B. schädlich, wenn die Körperschaft einem Vorstandsmitglied sämt...