Karl Blesinger, Dr. Andreas Viertelhausen
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Von der Haftung sind alle Personen betroffen, denen die §§ 34 und 35AO steuerliche Pflichten auferlegen, die an sich dem Steuerpflichtigen obliegen, die dieser aber mangels eigener Handlungs- oder Geschäftsfähigkeit nicht selbst erfüllen kann. Dazu zählen die gesetzlichen Vertreter, Vorstände und Geschäftsführer von Handelsgesellschaften und sonstigen Personenvereinigungen, die Vermögensverwalter, Nachlassverwalter, Testamentsvollstrecker, Liquidatoren (s. § 34 AO) und diejenigen, die i. S. des § 35 AO als Verfügungsberechtigte im eigenen oder fremden Namen auftreten (BFH v. 11.03.2004, VII R 52/02, BStBl II 2004, 579: "Strohmann" und "faktischer Geschäftsführer"). Alle diese Personen haben anstelle des Steuerpflichtigen dessen steuerliche Verpflichtungen zu erfüllen (s. § 34 AO Rz. 3 ff. und 17 ff. und § 35 AO Rz. 9 ff.). Die über das bürgerliche Recht hinausgehende Regelung der §§ 34 und 35 AO ergänzt die im Innenverhältnis zwischen Vertreter und Vertretenem bestehenden Pflichten durch eigene im Außenverhältnis geltende Verpflichtungen. Aus diesem Grund ist es gerechtfertigt, den betroffenen Personen eine persönliche Haftpflicht aufzuerlegen, wenn sie durch grob schuldhafte Pflichtverletzung Steuerausfälle herbeiführen. Zum Beginn und Ende ihrer Verpflichtungen s. § 36 AO.
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Da die in den §§ 34 und 35 AO auferlegten Pflichten voraussetzen, dass die Vertreter bzw. Verfügungsberechtigten kraft ihrer Befugnis tatsächlich in der Lage sind, für die Steuerpflichtigen im geforderten Ausmaß tätig zu werden (s. § 34 AO Rz. 3 ff.), kann eine Vertretungsmacht, die dies nicht ermöglicht, keine persönliche Haftung i. S. der Vorschrift auszulösen. Damit werden die in der Steuerberatung tätigen Berufsträger insoweit, als sie sich auf die Vertretung ihrer Auftraggeber im Verwaltungsverfahren oder im finanzgerichtlichen Verfahren beschränken, weder nach Wortlaut noch Sinngehalt von der Haftungsvorschrift betroffen. Nur wenn sie infolge der vertraglichen Vereinbarung mit dem Mandanten darüber hinaus unter die §§ 34 und 35 AO subsumiert werden können, zählen sie zu den von der Haftungsvorschrift betroffenen Personen (s. AEAO zu § 69, Nr. 1; s. § 191 Abs. 2 AO).
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Soweit die betroffenen Personen in der Lage waren, die Festsetzung der Schuld wegen der sie in Anspruch genommen werde, kraft eigenen Rechts oder als Vertreter oder Bevollmächtigter des Steuerpflichtigen anzufechten, sind ihnen nach § 166 AO im Haftungsverfahren Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der Festsetzung verwehrt, es sei denn, die Festsetzung kann nach den Vorschriften der AO (§§ 164, 165, 172 ff.) geändert werden (BFH v. 28.03.2001, VII B 213/00, BFH/NV 2001, 1217; BFH v. 22.04.2015, XI R 43/11, BStBl II 2015, 755; BFH v. 16.05.2017, VII R 25/16, BStBl II 2017, 934; BFH v. 27.09.2017, XI R 9/16, BB 2017, 2838; a. A. FG Köln v. 13.11.2011, 13 K 4121/07, EFG 2012, 195; FG Bbg v. 03.09.2015, 9 K 9271/10, EFG 2015, 2017). Eine vom Insolvenzschuldner nicht bestrittene und zur Insolvenztabelle festgestellte Forderung steht insoweit einer unanfechtbaren Steuerfestsetzung nach § 166 AO gleich (FG Köln v. 18.01.2017, 10 K 3671/14, EFG 2017, 625, Rev. XI R 57/17).