Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 364a AO gibt dem Einspruchsführer einen Anspruch auf pflichtgemäßes Ermessensentscheidung über Anträge auf mündliche Erörterung der Sach- und Rechtslage. Die Vorschrift findet keine Anwendung im Besteuerungsverfahren. Von der mündlichen Erörterung als besondere Form des rechtlichen Gehörs sollte gleichwohl auch dort Gebrauch gemacht werden. Die Erörterung umfasst den gesamten Sach- und Rechtsstand des Verfahrens und damit alle mit dem Verfahren in Zusammenhang stehenden Tatsachen und Rechtsfragen. Das Erörterungsgespräch kann an Amtsstelle oder fernmündlich erfolgen und mit einer Beweisaufnahme verbunden werden.
I. Antrag des Einspruchsführers
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Nur der Einspruchsführer (§ 359 Nr. 1 AO) kann einen Erörterungstermin beantragen. Alle übrigen Beteiligten können die Erörterung lediglich anregen. Dies gilt auch für den Hinzugezogenen, der nur berechtigt ist, an der Erörterung teilzunehmen. Der Antrag kann bis zur Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung gestellt werden. Die Finanzbehörde entscheidet daraufhin nach pflichtgemäßem Ermessen, wobei ihr Ermessen gebunden ist und im Regelfall zur Erörterungspflicht führt ("soll"). Der Antrag des Einspruchsführers darf nur in Ausnahmefällen abgelehnt werden. Ein solcher Ausnahmefall ist wohl zu bejahen, wenn der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht (§ 149 Abs. 1 und 2 AO) noch nicht nachgekommen ist (Szymczak, DB 1994, 2254, 2260) oder erkennbar unerhebliche Gesichtspunkte besprochen werden sollen (Birkenfeld in HHSp, § 364a AO Rz. 62 ff. mit weiteren Beispielen).
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Ablehnung des Antrags, ohne dass ein Ausnahmefall (Rz. 3) vorliegt, ist ermessensfehlerhaft. Sie stellt einen wesentlichen Verfahrensfehler dar, der zur Aufhebung der Einspruchsentscheidung im finanzgerichtlichen Verfahren führen kann (zu den Schwierigkeiten im Vortrag zur Beschwer vgl. Birkenfeld in HHSp, § 364a AO Rz. 27). Obwohl die Ablehnung eines Antrags auf Erörterung per Definition ein Verwaltungsakt ist, kann dieser nicht selbstständig angefochten werden (Seer in Tipke/Kruse, § 364a AO Rz. 6; Rätke in Klein, § 364a AO Rz. 14). Denn eine gegen die Ablehnung erhobene Klage wäre wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig (BFH v. 11.04.2012, I R 63/11, BFHE 237, 29). Die Finanzbehörde kann die Erörterung auch ohne Antrag von Amts wegen ansetzen (§ 364a Abs. 1 Satz 3 AO).
Tz. 5
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
vorläufig frei
II. Ladung von Beteiligten
Tz. 6
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Die Finanzbehörde kann, soweit es sachdienlich ist, auch weitere Beteiligte zur Erörterung laden (§ 364a Abs. 1 Satz 2 AO). Sachdienlich ist eine Ladung, wenn sie der Sachaufklärung oder Rechtserhellung dient und somit zu erwarten ist, das Verfahren einvernehmlich zu beenden. Dies ist dann nicht der Fall, wenn die Beteiligten bekanntermaßen im Streit über Punkte des Verfahrens sind.
Tz. 7
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Beteiligter ist jeder, der von der Entscheidung betroffen sein kann, insbes. Hinzugezogene (§ 360 AO) oder Feststellungsbeteiligte (§ 352 AO). Die Ladung ist nur eine Mitteilung und kein anfechtbarer Verwaltungsakt (Seer in Tipke/Kruse, § 364a AO Rz. 8; Birkenfeld in HHSp, § 364a AO Rz. 106, 136). Bei Nichterscheinen wird das Verfahren ohne Erörterung fortgesetzt.
III. Erörterung mit mehr als 10 Beteiligten
Tz. 8
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Von einer Erörterung mit mehr als 10 Beteiligten kann die Finanzbehörde absehen (§ 364a Abs. 2 Satz 1 AO). Es soll ausgeschlossen werden, dass durch eine zu große Zahl von Teilnehmern die einvernehmliche Erledigung behindert wird. Die Vorschrift gilt nur für die Beteiligten, die selbst eine Erörterung beantragt oder angeregt haben. Hat die Finanzbehörde selbst aus Sachdienlichkeitserwägungen mehr als 10 Beteiligte geladen, so wird sie mit diesen auch eine Erörterung durchführen können.
Tz. 9
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Der Gesetzgeber gibt der Finanzbehörde die Möglichkeit, den Beteiligten eine angemessene Frist zu bestimmen, in der sie einen gemeinsamen Vertreter bestimmen, der an ihrer Stelle an dem Erörterungstermin teilnimmt. Nicht ganz klar ist, ob sich alle Beteiligten auf nur einen Vertreter einigen müssen, oder aber mehrere Vertreter bestimmt werden können, sodass am Ende nicht mehr als 10 Beteiligte anwesend sind (so auch: Seer in Tipke/Kruse, § 364a AO Rz. 9; a. A. Szymczak in Koch/Scholtz, § 364a AO Rz. 9).