Karl Blesinger, Dr. Andreas Viertelhausen
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Der Begriff der Förderung der Allgemeinheit wird wesentlich geprägt durch die objektive Werteordnung, wie sie insbes. im Grundrechtskatalog der Art. 1 bis 19 GG zum Ausdruck kommt (BFH v. 29.08.1984, I R 215/81, BStBl II 1985, 106; BFH v. 31.05.2005, I R 105/04; BFH/NV 2005, 1741). Die Förderung der Allgemeinheit liegt grundsätzlich nur dann vor, wenn die Tätigkeit jedermann zugutekommen kann. Nach einer anderen Auffassung ist Förderung der Allgemeinheit eine Förderung im Interesse der Allgemeinheit (Fischer, FR 2004, 147). Jedenfalls ist es schädlich, wenn es die Satzung eines Vereins nicht ausschließt, dass er vornehmlich zur Wahrung der (gewerblichen) Interessen seiner unternehmerisch aktiven Mitglieder tätig wird (BFH v. 06.10.2009, I R 55/08, BStBl II 2010, 335). In der Praxis wird jedoch der geförderte Personenkreis in der Regel in einschränkender Weise näher bezeichnet, sodass von Fall zu Fall geprüft werden muss, ob der unbestimmte Rechtsbegriff der Allgemeinheit noch erfüllt ist. Schädlich ist es, wenn eine Vereinigung Frauen vom Erwerb der Mitgliedschaft ausschließt und die erstrebten Zwecke auch nicht so beschaffen sind, dass sie nur Männern zugutekommen können (Freimaurerloge: BFH v. 17.05.2017, V R 52/15, BStBl II 2018, 218). Unschädlich ist es grundsätzlich, wenn die satzungsmäßigen Bestrebungen gegen die Planungen staatlicher Stellen oder technische Großprojekte gerichtet sind (BFH v. 13.12.1978, I R 39/78, BStBl II 1979, 482: Schnellbahntrasse einer Eisenbahn). Zur Frage, ob der Förderungszweck sich auf die Bevölkerung Deutschlands oder Teile hiervon beziehen muss oder auch im Ausland verwirklicht werden kann s. § 51 AO Rz. 3.
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 52 Abs. 1 Satz 2 AO liefert zwei maßgebliche Abgrenzungskriterien, bei deren Vorliegen keine Förderung der Allgemeinheit anzunehmen ist. Der Begriff der Allgemeinheit ist dann nicht erfüllt, wenn der Kreis der Personen dem die Förderung zugutekommt, fest abgeschlossen ist. Als Beispiel nennt das Gesetz die Zugehörigkeit zu einer Familie oder zur Belegschaft eines Unternehmens. Fest abgeschlossen ist ein Personenkreis dann, wenn dessen einschlägige Kennzeichnung nicht Umstände betrifft, die allgemein auf Bevölkerungsschichten, Stände, Berufsgruppen u. Ä. zutreffen. Es handelt sich also nicht um Personen, deren zahlenmäßige Zusammensetzung nur durch staatliche oder ähnliche Erhebungen mit allgemein statistischem Charakter festgestellt werden kann, wie z. B. alle Angehörigen einer bestimmten Religion, alle freiberuflich Tätigen, alle Personen mit einer bestimmten Mindestgröße oder Höchstgröße usw. Fest abgeschlossen sind dagegen außer in den bereits genannten gesetzlichen Beispielsfällen etwa die Angehörigen eines bestimmten Vereins, die Bediensteten eines bestimmten Zweiges der öffentlichen Verwaltung u. Ä. Nach Auffassung das BFH (BFH v. 13.12.1978, I R 64/77, BStBl II 1979, 488) ist eine Beschränkung der Mitgliederzahl unschädlich, die wegen der begrenzten Nutzungsmöglichkeiten eines Golfplatzes und zur Sicherung eines ordnungsmäßigen Spielbetriebes notwendig ist. Ist jedoch der geförderte Personenkreis in diesem Sinne zwar nicht fest abgeschlossen, aber in einer Weise abgegrenzt, dass er dauernd nur klein sein kann, ist er ebenfalls nicht als Allgemeinheit anzusprechen. Somit ist alternativ, nicht kumulativ, festgelegt, wann keine Förderung der Allgemeinheit vorliegt (FG Mchn v. 09.11.1972, IV 136/69, EFG 1973, 176).
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Als Beispiele für die selbstständige zweite Alternative nennt das Gesetz eine entsprechende Abgrenzung nach räumlichen oder beruflichen Merkmalen. Die Förderung aller Pächter einer bestimmten Kleingartenanlage ist daher ebenso wenig gemeinnützig wie die aller Wünschelrutengänger (BFH v. 13.12.1978, I R 36/76, BStBl II 1979, 492, betr. Ordensmitglieder). Zulässig ist eine räumliche Abgrenzung auf das Gebiet eines bestimmten Staates oder einer bestimmten Stadt, da auch deren Bevölkerung zahlenmäßig groß sein kann (BFH v. 20.12.2006, I R 94/02, BStBl II 2010, 331; im Streitfall die Jugend einer Stadt mit 125 000 Einwohnern; zur Auslandshilfe s. aber Rz. 2).
Tz. 5
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Eine schädliche Begrenzung kann auch darin liegen, dass durch hohe Aufnahmegebühren oder Mitgliedsbeiträge der Allgemeinheit der Zugang zu dem Verein praktisch verwehrt ist (s. AEAO zu § 52, Nr. 1.1: Höchstbeträge der durchschnittlichen Mitgliedsbeiträge und -umlagen von 1 023 Euro je Mitglied und Jahr, Aufnahmegebühren von durchschnittlich 1 534 Euro je aufgenommenem Mitglied; BFH v. 13.11.1996, I R 152/93, BStBl II 1998, 711). Erwartete Spenden sind einem Eintrittsgeld nicht gleichzustellen, wenn keinem Bewerber die Mitgliedschaft vorenthalten oder wieder entzogen wird, weil die Spende nicht oder nicht in der erwarteten Höhe geleistet wird (BFH v. 13.08.1997, I R 19/96, BStBl II 1997, 794). Auch Einlagen in eine mit dem Verein verbundene KG sind nicht gle...