I. Steuerbescheid
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die §§ 172–177 AO gelten für Steuerbescheide und ihnen gleichgestellte Bescheide, also solche Steuerverwaltungsakte (§ 118 Satz 1 AO), für welche auf die für Steuerbescheide geltenden Vorschriften verwiesen wird (s. Rz. 6); von diesem Verweis werden auch die Korrekturnormen der §§ 172ff. AO erfasst (von Wedelstädt in Bartone/von Wedelstädt, Rz. 40).
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Steuerbescheid ist der Verwaltungsakt, durch den die Steuer festgesetzt wird (§ 155 Abs. 1 AO), d. h. festgestellt wird in welcher Höhe ein bestimmter Stpfl. eine bestimmte Steuer schuldet. Auch Änderungsbescheide sind Steuerbescheide i. S. der §§ 172ff. AO, da durch sie die Höhe der Steuer (geändert) festgesetzt wird. Steuerbescheide sind des Weiteren (vgl. von Wedelstädt in Bartone/von Wedelstädt, Rz. 37 ff.):
- Ablehnungsbescheide, mit denen die Änderung einer Steuerfestsetzung abgelehnt wird,
- Bescheide über die (teilweise) Freistellung von der Steuer (§ 155 Abs. 1 Satz 3 AO; bspw. § 50d Abs. 1 Satz 3 EStG; BFH v. 20.03.2002, I R 38/00, BStBl II 2002, 819),
- Nichtveranlagungsverfügung, sofern das FA damit nach Prüfung der Steuererklärung oder auf Antrag des Stpfl. eine Steuerpflicht verneint,
- Bescheide über die Ablehnung eines Antrags auf Steuerfestsetzung (§ 155 Abs. 1 Satz 3 AO),
- LSt-Nachforderungsbescheide i. S. des § 40 Abs. 3 Satz 2 EStG,
- Verbrauchsteuerbescheide (s. § 172 AO Rz. 11 ff.),
- Vorauszahlungsbescheide (z. B. § 37 Abs. 3 Satz 1 EStG); sie stehen gem. § 164 Abs. 1 Satz 2 AO stets unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, sodass ihre Korrektur nach § 164 Abs. 2 Satz 1 AO erfolgt (§ 172 Abs. 1 Satz 1 AO).
Tz. 5
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Keine Steuerbescheide, sondern sonstige Steuerverwaltungsakte sind dagegen (vgl. von Wedelstädt in Bartone/von Wedelstädt, Rz. 42 f.):
- Feststellungsbescheide nach § 251 Abs. 3 AO,
- Freistellungsbescheinigung nach § 48b Abs. 1 Satz 1 EStG, § 50d Abs. 3 Satz 1 EStG,
- Nichtveranlagungsbescheinigungen gem. § 36b Abs. 2 EStG und § 44a Abs. 2 Nr. 2 EStG,
- Nichtveranlagungsverfügung, sofern sie durch einen bloßen internen Aktenvermerk erfolgt und – da nicht auf eine unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet – keinen Verwaltungsakt darstellt,
- Haftungs- und Duldungsbescheide (§ 191 Abs. 1 AO),
- Abrechnungsbescheide nach § 218 Abs. 2 AO,
- Anrechnungsverfügungen (z. B. § 36 Abs. 2 EStG),
- Aufteilungsbescheide (§ 279 Abs. 1 Satz 1 AO),
- Zusagen bzw. verbindliche Auskünfte (§ 89 Abs. 2 AO; s. § 89 AO Rz. 16, 18),
- Zolltarifauskünfte (Art. 4 Nr. 5, 12 Abs. 2 ZK bzw. Art. 33 UZK) und verbindliche Ursprungsauskunft (Art. 4 Nr. 5, 12 Abs. 1 ZK bzw. Art. 33 UZK),
- Bescheide über die Erteilung von LSt-Anrufungsauskünften (§ 42e EStG).
Tz. 6
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Den Steuerbescheiden gleichgestellt sind:
Tz. 7
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die §§ 172ff. AO finden keine Anwendung auf Einfuhr- und Ausfuhrabgaben. Insoweit werden die genannten Normen insbes. von den Art. 27 ff. UZK verdrängt (s. § 1 AO Rz. 11 ff.).
Zum Ganzen von Wedelstädt in Gosch, § 172 AO Rz. 17 ff.
II. Rechtswidrigkeit
Tz. 8
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Anwendung der §§ 172ff. AO setzt voraus, dass der zu korrigierende Steuerbescheid (oder gleichgestellte Bescheid) rechtswidrig ist (h. M., BFH v. 30.08.2001, IV R 30/99, BStBl II 2002, 252; von Wedelstädt in Gosch, § 172 AO Rz. 38; von Wedelstädt in Bartone/von Wedelstädt, Rz. 44 ff.; Loose in Tipke/Kruse, Vor § 172 AO Rz. 28; Koenig in Koenig, Vor §§ 172–177. Rz. 10; a. A. Rüsken in Klein, § 172 Rz. 32; offengelassen BFH v. 07.07.2005, IX R 74/03, BStBl II 2005, 807). Dies ist der Fall, wenn von der ermächtigenden Steuerrechtsnorm nicht in formell oder materiell rechtmäßiger Weise Gebrauch gemacht wurde, z. B. sich die im Steuerbescheid angeordnete Rechtsfolge nicht aus dem gesetzlichen Tatbestandes ergibt, bzw. die Tatbestandsmerkmale nicht erfüllt sind (hierzu ausführlich von Wedelstädt in Bartone/von Wedelstädt, Rz. 44 ff.).
Tz. 9
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Ist der Steuerbescheid sogar nichtig (§ 125 AO), kann er nicht in Bestandskraft erwachsen (§ 124 Abs. 3 AO), sodass trotz Rechtswidrigkeit eine Änderung nach §§ 172ff. AO nicht in Betracht kommt (s. Rz. 10; Loose in Tipke/Kruse, Vor § 172 AO Rz. 28). Eine Anwendung der §§ 172ff. AO ist ebenfalls nicht möglich, wenn die Rechtswidrigkeit auf unbeachtlichen Verfahrens- und Formfehlern nach i. S. des § 126 AO beruhen, wenn die Verfahrens- oder Formfehler zwar beachtlich sind, aber in der Sache keine andere Entscheidung hätte getroffen werden können (§ 127 AO) oder...