Tz. 4

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 121 Abs. 1 AO schreibt die Begründung bei einem schriftlichen oder elektronischen sowie einem schriftlich oder elektronisch bestätigten Verwaltungsakt vor, soweit dies zu seinem Verständnis erforderlich ist (zu elektronischen oder elektronisch bestätigten Verwaltungsakten s. § 87a AO und s. § 119 AO Rz. 9). Der Begründungszwang ist Ausfluss des Rechts auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG) und der Rechtsschutzgarantie (Art. 19 Abs. 4 GG). Dem Bürger, in dessen Recht durch den Verwaltungsakt eingegriffen wird, soll durch die Mitteilung der Überlegungen der den Verwaltungsakt erlassenden Behörde ermöglicht werden, seine Rechte wirksam zu verteidigen (BFH v. 03.02.1981, VII R 86/78, BStBl II 1981, 493). Lediglich mündliche Verwaltungsakte brauchen nicht begründet zu werden (Seer in Tipke/Kruse, § 121 AO Rz. 14), wenngleich sich in der Praxis auch hier eine mündliche Erläuterung an die Bekanntgabe des Verwaltungsakts anschließen dürfte. Eines Gesetzeszwangs hierzu bedurfte es nicht, weil ein mündlicher Verwaltungsakt gemäß § 119 Abs. 2 Satz 2 AO schriftlich bestätigt und damit auch schriftlich begründet werden muss, wenn an der schriftlichen Bestätigung ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt. Dem Rechtsschutzbedürfnis des Stpfl. ist damit ausreichend Rechnung getragen.

 

Tz. 5

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Eine Begründungspflicht besteht nach § 121 Abs. 1 AO nur insoweit, als dies zum Verständnis des Verwaltungsakts erforderlich ist. Davon unberührt bleiben Spezialvorschriften, die besondere Begründungspflichten anordnen. So fordert § 157 AO für Steuerbescheide die Angabe der Besteuerungsgrundlagen. Inwieweit eine Begründung "zum Verständnis" erforderlich ist, lässt sich nur unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls bestimmen: Abzustellen ist u. a. auf den Empfängerhorizont (BFH v. 11.02.2004, II R 5/02, BFH/NV 2004, 1062 f.). Weicht die Steuerfestsetzung von der Steuererklärung zuungunsten des Stpfl. ab, ist eine Begründung stets erforderlich (s. § 91 Abs. 1 Satz 2 AO).

 

Tz. 6

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Besondere Grundsätze hat die Rechtsprechung für folgende Fallgruppen herausgearbeitet: Bei Ermessensentscheidungen muss die Begründung erkennen lassen, dass die Finanzbehörde von dem ihr eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht hat und welche wesentlichen Erwägungen sie bei der Ausübung ihres Ermessens angestellt hat (s. § 5 AO Rz. 13 ff.). Fehlt bei einer Ermessensentscheidung die Begründung, ist sie im Regelfall rechtsfehlerhaft (BFH v.30.08.2017, II R 48/15, BStBl II 2018, 24; v. 17.01.2017, VIII R 52/14, BFH/NV 2017, 777). Bei Schätzungsbescheiden genügen die Angaben der Besteuerungsgrundlagen und die Begründung, dass die Schätzung wegen der Nichtabgabe der Steuererklärung erfolgt (s. § 162 AO Rz. 57). Auch die Prüfungsanordnung nach § 196 AO ist schriftlich zu begründen (s. § 196 AO Rz. 3). Soweit eine Norm ermessenslenkende Vorgaben enthält, ist eine Begründung nur erforderlich, wenn ein vom Regelfall abweichender Sachverhalt vorliegt (BFH v. 26.06.2007, VII R 35/06, BStBl II 2007, 742).

Dieser Inhalt ist unter anderem im Kühn, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung (Schäffer-Poeschel) enthalten. Sie wollen mehr?


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