Karl Blesinger, Dr. Andreas Viertelhausen
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Haftungsvoraussetzung ist, dass eine Person i. S. der §§ 34 und 35 AO bei Ausübung ihrer Obliegenheiten eine Steuerhinterziehung (s. § 370 AO) oder eine leichtfertige Steuerverkürzung (s. § 378 AO) begeht oder an einer Steuerhinterziehung teilnimmt und hierdurch Steuerschuldner oder Haftender wird. Ist der Vertretene selbst Steuerschuldner, greift § 70 Abs. 1 AO nicht ein (BFH v. 19.10.1976, VII R 63/73, BStBl II 1977, 255). Ob eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung bzw. die einschlägige Beteiligungsform gegeben sind, entscheidet selbstständig und unabhängig von der Würdigung durch die für die Strafverfolgung zuständigen Behörden und Gerichte die für die Inanspruchnahme des Haftenden zuständige Finanzbehörde (s. § 71 AO Rz. 6).
Tz. 5
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Wegen des unter §§ 34 und 35 AO fallenden Personenkreises s. die dortigen Erläuterungen sowie § 69 AO Rz. 2. Eine Haftung für Handlungen einer Person, die i. S. des § 35 AO lediglich als Verfügungsberechtigter im eigenen oder fremden Namen auftritt, kann jedoch nur insoweit in Frage kommen, als diese in Beziehung zu Obliegenheiten gehandelt hat, die ihr tatsächlich übertragen waren und die sie sich nicht lediglich angemaßt hat (BFH v. 30.11.1951, II z 148/51 U, BStBl III 1952, 16).
Tz. 6
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung muss in jedem Fall in unmittelbarerBeziehung zu den Obliegenheiten des Vertreters usw. begangen sein (RFH v. 08.03.1929, RFHE 25, 46), und zwar dergestalt, dass sie ohne Übertragung der Obliegenheiten nicht hätte begangen werden können (RFH v. 03.11.1939, RStBl 1939, 1118). Begehung "gelegentlich" der Wahrnehmung der Obliegenheiten, wobei diese nur den äußeren Anlass boten, genügt nicht. Es muss ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Steuerstraftat bzw. -ordnungswidrigkeit und dem sich als Ausübung der Obliegenheit darstellenden Handeln nach Ort und Zeit bestehen. Dieser Zusammenhang ist u. E. auch dann gegeben, wenn eine Person, zu deren Aufgaben zwar nicht die Erfüllung steuerlicher Pflichten gehört, bei Ausübung ihrer Obliegenheiten gegen ein steuerliches Gebot oder Verbot verstößt (z. B. Steuergefährdung nach § 379 AO; a. A. Fehsenfeld, DStZ 2012, 852, 860).
Tz. 7
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Bei der Steuerhinterziehung reicht Teilnahme als Gehilfe oder Anstifter aus. Da jedoch eine Steuerverkürzung eingetreten sein muss bzw. Steuervorteile zu Unrecht gewährt worden sein müssen, scheidet der Versuch aus. Handeln zum eigenen Vorteil ist nicht erforderlich (RFH v. 09.12.1938, RStBl 1939, 62). Bei leichtfertiger Steuerverkürzung ist nur Eigentäterschaft denkbar; mehrere Beteiligte können als Nebentäter unabhängig voneinander zum selben Verkürzungserfolg beitragen.
Tz. 8
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Der Täter muss durch seine Tat Steuerschuldner oder Haftender werden. Gemäß § 71 AO wird jeder, der eine Steuerhinterziehung begeht oder an ihr teilnimmt, Haftender für die verkürzten Steuern, die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 AO.
Tz. 9
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Dem Umfang nach haftet der Vertretene grundsätzlich für die durch die Tat verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile (z. B. Steuervergütungen). Die Haftung erstreckt sich nicht auf Nebenleistungen zu der verkürzten Steuer (BFH v. 05.11.1993, VI R 16/93, BStBl II 1994, 557, 559). Anders als in § 71 AO erstreckt sich die Haftung auch nicht auf die Hinterziehungszinsen.