Karl Blesinger, Dr. Andreas Viertelhausen
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Für den Eintritt der Haftung müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: Eine Person muss an dem Unternehmen i. S. des § 74 Abs. 2 AO wesentlich beteiligt sein und dem wesentlich Beteiligten müssen Gegenstände gehören, die dem Unternehmen dienen.
I. Wesentliche Beteiligung
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Es haften nur Personen, die an dem Unternehmen i. S. des § 74 Abs. 2 AO wesentlich beteiligt sind. Hiernach ist eine Person wesentlich beteiligt, wenn sie unmittelbar oder mittelbar (BFH v. 10.11.1983, V R 18/79, BStBl II 1984, 127) zu mehr als einem Viertel am Grund- oder Stammkapital oder am Vermögen des Unternehmens beteiligt ist (§ 74 Abs. 2 Satz 1 AO). Eine mittelbare Beteiligung ist gegeben, wenn jemand durch Vermittlung eines Treuhänders oder einer anderen Gesellschaft beteiligt ist (s. § 115 Abs. 2 Satz 2 AO a. F.). Ist z. B. A an der B-GmbH zu 50 % beteiligt und ist die B-GmbH an der X-AG zu 60 % beteiligt, so ist A an der X-AG zu mehr als ein Viertel (50 % von 60 % = 30 %) mittelbar beteiligt. Bestehen sowohl unmittelbare und mittelbare Beteiligungen derselben Person, so sind diese zu addieren. Mit der für die Betriebsaufspaltung entwickelten Personengruppentheorie lässt sich eine wesentliche Beteiligung an einem Unternehmen i. S. des § 74 Abs. 2 Satz 1 AO durch Zusammenrechnung der von mehreren Familienmitgliedern gehaltenen Anteile nicht begründen (BFH v. 01.12.2015, VII R 34/14, BStBl II 2016, 375).
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Im Übrigen errechnet sich die Beteiligungsquote bei Kapitalgesellschaften entsprechend dem zuzurechnenden Anteil am Nennkapital, wobei eigene Anteile der Kapitalgesellschaft ausscheiden. Bei den Gesamthandsgemeinschaften gilt § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO. Die Haftung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der überlassene Gegenstand nicht im Eigentum des Haftenden, sondern im Eigentum einer Personengesellschaft steht, wenn deren Gesellschafter nur der Haftende und weitere am Unternehmen wesentlich Beteiligte sind (BFH v. 23.05.2012, VII R 28/10, BStBl II 2012,763). Eine Beteiligung ohne Stimmrecht schließt die Haftung nicht aus (BFH v. 02.12.1950, I 33/50 U, BStBl III 1951, 16). Wegen der Maßgeblichkeit der steuerlichen Zurechnung kann auch ein atypischer stiller Gesellschafter wesentlich Beteiligter i. S. der Vorschrift sein.
Tz. 5
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Nach § 74 Abs. 2 Satz 2 AO gilt als wesentlich beteiligt auch, wer auf das Unternehmen einen beherrschenden Einflussausübt und durch sein Verhalten dazu beiträgt, dass fällige Steuern i. S. des § 74 Abs. 1 Satz 1 AO nicht entrichtet werden. Das ist Ausfluss der im Steuerrecht vorherrschenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Nach der Gesetzesbegründung sollen durch die Regelung Herrschaftsverhältnisse erfasst werden, die ohne entsprechende Vermögensbeteiligung zustande kommen, aber gleichwohl geeignet sind, dem hierdurch Begünstigten anstelle des Unternehmers den entscheidenden Einfluss auf das Unternehmen einzuräumen (FG Münster v. 15.09.2009, 2 K 32/09 U, EFG 2010, 287: Nicht-Gesellschafter-Geschäftsführer). Allerdings stellt der Gesetzeswortlaut klar, dass die bloße Möglichkeit, beherrschenden Einfluss auszuüben, nicht ausreicht. Der Einfluss muss vielmehr in der Weise genutzt werden, dass zur Nichtentrichtung fälliger Betriebsteuern beigetragen wird. Mit dieser Einschränkung wird z. B. auch das Bestehen eines Nießbrauchrechtes, das mit einem Stimmrecht gekoppelt ist, als wesentliche Beteiligung anzusehen sein (FG BW v. 19.11.1957, I 881 – 882/57, EFG 1958, 250).
II. Eigentum an dem Betrieb dienenden Gegenständen
Tz. 6
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Dem wesentlich Beteiligten müssen Gegenstände gehören, die dem Unternehmen dienen. Dabei muss es sich um solche Gegenstände handeln, die für die Führung des Betriebs von wesentlicher Bedeutung sind. Dies folgert der BFH (BFH v. 27.06.1957, V 298/56 U, BStBl III 1957, 279) daraus, dass die Vorschrift bezweckt, die Beitreibung betrieblicher Steuerschulden nicht daran scheitern zu lassen, dass alle pfändbaren, dem Betrieb dienlichen Gegenstände einem anderen als dem Unternehmer gehören und der Unternehmer selbst kein pfändbares Vermögen besitzt. Die Überlassung von Gegenständen, die im Vorbehaltseigentum eines Dritten stehen, reicht als haftungsbegründende Eigentümerstellung nicht aus (BFH v. 27.06.1957, V 298/56 U, BStBl III 1957, 279). Auch Sicherungseigentum genügt nicht (FG SchlH v. 18.12.1953, III 365/53, EFG 1954, 60). Zweifelhaft ist auch, ob solche Gegenstände ein die Haftung fallen, über die der Betroffene nicht allein verfügen kann (BFH v. 07.01.2011, VII S 60/10, BFH/NV 2011, 567). Wird ein Betrieb auf einer Teilfläche eines größeren Grundstückes, das einer am Unternehmen wesentlich beteiligten Person gehört, betrieben, so stellt nur diese Teilfläche den Gegenstand i. S. der Vorschrift dar (BFH v. 02.02.1961, IV 395/58 U, BStBl III 1961, 216). Im Übrigen muss aber der betreffende Gegenstand dem Unternehmen voll dienen; doch schließt eine geringfügige (etwa zu weniger als 1/5) anderweitig...