Karl Blesinger, Dr. Andreas Viertelhausen
I. Begriffe und Beispiele
Tz. 12
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Scheingeschäften und anderen Scheinhandlungen im Sinne des § 41 Abs. 2 AO ist eigentümlich, dass sie nicht ernstlich gemeint sind und einen Tatbestand vortäuschen sollen, der in Wirklichkeit weder gewollt ist noch tatsächlich besteht (BFH v. 07.11.2006, IX R 4/06, BStBl II 2007, 372: Scheindarlehen; BFH v. 10.09.2015, V R 17/14, BFH/NV 2016, 80; BFH v. 20.10.2016, V R 36/14, BFH/NV 2017, 327: Strohmann). In Übereinstimmung mit § 117 BGB ist die Scheinhandlung auch steuerlich ohne Bedeutung (BVerfG v. 26.06.2008, 2 BvR 2067/07, NJW 2008, 3346). Maßgeblich ist – soweit vorhanden – der Tatbestand, den die Scheinhandlung verdecken soll. Die Grenzen zur Steuerumgehung (s. § 42 AO) fließen; Letztere setzt einen Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten voraus, der für die Annahme eines Scheingeschäftes nicht gefordert wird. Das Umgehungsgeschäft muss im Unterschied zum Scheingeschäft ernstlich gewollt sein, weswegen es im Gegensatz zum Scheingeschäft zivilrechtlich grundsätzlich wirksam ist (BFH v. 21.10.1988, III R 194/84, BStBl II 1989, 216).
Tz. 13
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Keine Scheinhandlungen sind die fiduziarischen oder Treuhandgeschäfte. Durch sie wird einem Beteiligten aus wirtschaftlichen oder sonstigen Gründen eine Rechtsstellung eingeräumt, mit der Befugnisse verbunden sind, die über den verfolgten Zweck hinausgehen. Die Ausübung der Befugnisse ist daher im Innenverhältnis vertraglich gebunden. Das fiduziarische Geschäft, z. B. eine Sicherungsübereignung (s. § 39 AO Rz. 23 ff.) oder ein zu Verwaltungszwecken begründetes Treuhandeigentum (s. § 39 AO Rz. 19 ff.), ist im Unterschied zur Scheinhandlung wirklich gewollt und daher nach Maßgabe des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO auch steuerlich zu beachten.
II. Besteuerung des verdeckten Geschäfts
Tz. 14
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Der Besteuerung wird nicht die Scheinhandlung, sondern – soweit ein solcher vorhanden ist – der wirklich gewollte und in seinen wirtschaftlichen Wirkungen eingetretene, jedoch verdeckte Tatbestand zugrunde gelegt. So wertete das FG Nds (FG Nds v. 23.10.1964, IV 32/64, EFG 1965, 181) einen aus preisrechtlichen Gründen vereinbarten Erbbauzins als verdeckte Kaufpreiszahlung, nahm demzufolge keine steuerpflichtigen Nutzungseinkünfte, sondern eine – im entschiedenen Fall – steuerfreie Einnahme an. Das Scheingeschäft selbst hat keine steuerlichen Folgen (zur Strafbarkeit der Nichterklärung des verdeckten Geschäfts als Steuerhinterziehung s. BGH v. 07.11.2006, 5 StR 164/06, wistra 2007, 112; zu den vergleichbaren Folgen eines Umgehungsgeschäfts s. § 42 AO Rz. 25 ff. und 32).
III. Realakte
Tz. 15
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Für die Anwendung des § 41 Abs. 2 AO ist kein Raum, soweit die Besteuerung an Realakte nicht rechtsgeschäftlichen Charakters anknüpft. Das ist z. B. beim Verbringen von Waren über die Grenze oder bei tatsächlichen Geschehensabläufen (betriebstechnische Vorgänge) im Bereich der Verbrauchsteuern der Fall.