I. Verfahren
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Fristverlängerung erfolgt in der Regel auf einen Antrag des Stpfl. Sie ist aber auch von Amts wegen möglich. Die Entscheidung über eine Verlängerung steht im Ermessen der Finanzbehörde. Für den Fall der rückwirkenden Fristverlängerung enthält § 109 Abs. 1 Satz 2 AO eine besondere Hervorhebung eines für die Ermessensausübung maßgeblichen Gesichtspunktes. Danach ist die rückwirkende Fristverlängerung insbes. dann auszusprechen, wenn es unbillig (Verknüpfung mit unbestimmten Rechtsbegriff, s. § 5 AO Rz. 8) wäre, die durch den Fristablauf eingetretenen Rechtsfolgen bestehen zu lassen. Außerdem wird dadurch verdeutlicht, dass die Fristverlängerung den bereits eingetretenen Fristablauf und die damit verbundenen Rechtsfolgen mit rückwirkender Kraft beseitigt. Im Übrigen wird bei der Gewährung einer Fristverlängerung im Rahmen der pflichtgemäßen Ermessensausübung auch darauf abzustellen sein, ob der Betroffene in der Lage gewesen wäre, rechtzeitig, d. h. vor dem Fristablauf, um Fristverlängerung zu bitten. Im Allgemeinen wird man demjenigen, dem die Behörde eine Frist gesetzt hat, zumuten können, vor Fristablauf um Fristverlängerung nachzusuchen, wenn er die Frist nicht einhalten kann.
Eine stillschweigende Fristverlängerung ist möglich und vor allem dann denkbar, wenn die Finanzbehörde auf einen entsprechenden Antrag des Stpfl. keine gegenteilige Nachricht gibt.
II. Besondere Voraussetzungen bei Steuererklärungsfristen
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 109 Abs. 2 AO ist im Rahmen des Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens vom 18.07.2016 (BGBl I 2016, 1679) in das Gesetz eingefügt werden. Die Regelung findet erstmals Anwendung auf Besteuerungszeiträume, die nach dem 31.12.2017 beginnen; faktisch gilt die Regelung also ab 2018. Die Norm beschränkt die Möglichkeiten einer Fristverlängerung bei Steuererklärungsfristen. Wie schon die Verweisungen auf § 149 Abs. 3 und 4 AO zeigen, steht die Einschränkung der Verlängerungsmöglichkeit in engem Zusammenhang mit der Neuregelung der Abgabefristen für Steuererklärungen. Da die Frist zur Abgabe der Steuererklärungen für die steuerberatenden Berufe nunmehr gesetzlich bis auf Ende Februar des Zweitfolgejahres nach der Entstehung der Steuer festgelegt wurde, soll nach Ablauf des Abgabestichtages nur ausnahmsweise eine Fristverlängerung in Betracht kommen. Die in der Vergangenheit bestehende jährliche Praxis, die Steuererklärungsfristen durch Verwaltungsanweisungen allgemein zu verlängern, ist durch die Neuregelung obsolet geworden, sodass Fristverlängerungen nur noch nach individueller Prüfung am Maßstab des Abs. 2 in Betracht kommen sollen (BR-Drs. 631/15, 88). Die Voraussetzungen, unter denen eine Verlängerung möglich ist, gelten gleichermaßen für Fristverlängerung über Ende Februar hinaus (§ 149 Abs. 3 AO) und in den Fällen vorzeitiger Anforderung (§ 149 Abs. 4 AO).
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Aus der Gesetzesformulierung des § 109 Abs. 2 Satz 1 AO, dass Abs. 1 nur anzuwenden ist, falls der Stpfl. ohne Verschulden gehindert ist oder gehindert war, die Steuererklärungsfrist einzuhalten, folgt zunächst, dass die Verschuldensprüfung bereits als Tatbestandsmerkmal vor der Ermessensentscheidung über die Verlängerung nach Abs. 1 vorzunehmen ist. Gelingt dem Stpfl. der Nachweis fehlenden Verschuldens nicht, scheidet eine Fristverlängerung aus. Für eine Ermessensausübung durch das FA ist kein Raum mehr; der Verlängerungsantrag ist wegen Fehlens der gesetzlichen Voraussetzungen abzulehnen. Für die Beurteilung, ob eine entschuldbare Fristversäumnis vorliegt, sind die Grundsätze anzuwenden, die für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 110 AO, § 56 FGO) Stand gelten. Daraus folgt u. a., dass sich der Stpfl. bzw. dessen Berater künftig nicht mehr auf übermäßigen, hohen Arbeitsanfall berufen kann (BR-Drs. 631/15, 88). Denn mit der Verlängerung der gesetzlichen Abgabefrist soll sichergestellt werden, dass die steuerberatenden Berufe über ausreichend Zeit zur Erstellung der Erklärungen verfügen. Dem entspricht, dass eine Verlängerung der Abgabefrist nur noch in besonderen, individuell festzustellenden Fällen möglich sein soll. Abzustellen ist nach dem Gesetzeswortlaut zunächst auf das Verschulden des Stpfl. Damit dürften die Fallgestaltungen erfasst sein, in denen es dem Stpfl. nicht gelingt, seinem Berater die für die Erstellung der Erklärung erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Nach § 109 Abs. 2 Satz 3 AO ist dem Stpfl. auch das Verschulden eines Vertreters oder Erfüllungsgehilfen zuzurechnen. Vertreter i. S. dieser Regelung kann auch der steuerliche Berater sein, da die Regelung insoweit auch die gewillkürte Vertretung in Steuersachen erfasst.
Da die Fristverlängerungsmöglichkeit eine individuelle Verschuldensprüfung erfordert, ist eine Fristverlängerung aufgrund von Sammelanträgen nicht möglich.
Tz. 5
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Für Steuerpflichtige, die ihren Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft nach einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsja...