I. Verhältnismäßigkeit
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Wie bei jeder Vollstreckungsmaßnahme muss die Vollstreckungsbehörde auch beim Erlass von Pfändungs- und Einziehungsverfügungen nach §§ 309, 314 AO den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten (BFH v. 24.09.1991, VII R 34/90, BStBl II 1992, 57; BFH v. 11.12.1990, VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787; FG Hessen v. 23.10.2013, 1 V 1941/13, juris; s. Vor §§ 249–346 AO Rz. 18).
Tz. 5
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Eine Pfändungsverfügung ist nicht bereits deswegen unverhältnismäßig, weil das FA nicht zuvor beim Drittschuldner angefragt hat, ob der Vollstreckungsschuldner mit ihm in Geschäftsverbindung stehe und einen pfändbaren Anspruch innehabe. Wohl aber folgt aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass die Vollstreckungsbehörde keine von vornherein aussichtslosen und ungeeigneten Vollstreckungsmaßnahmen ergreifen darf; er verbietet ferner, "ins Blaue hinein" Forderungen zu pfänden, ohne dass ein hinreichender Anhalt dafür besteht, dass die Pfändung erfolgreich sein könnte. Im Allgemeinen darf eine Pfändungsverfügung nur ergehen, wenn die Vollstreckungsbehörde aufgrund allgemeiner Erfahrungssätze oder aufgrund konkreter Anhaltspunkte, z. B. bei dem Vollstreckungsschuldner vorgefundener Dokumente, davon ausgehen kann, dass er Forderungen gegen den Drittschuldner hat (zum Ganzen BFH v. 18.07.2000, VII R 94/98, BFH/NV 2001, 141; BFH v. 18.07.2000, VII B 101/98, BStBl II 2001, 5).
Tz. 6
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Fehlen andere erfolgversprechende Vollstreckungsmöglichkeiten, die für den Vollstreckungsschuldner weniger belastend sind, ist es für die Zulässigkeit einer Pfändung andererseits nicht erforderlich, dass feststeht oder überwiegend wahrscheinlich ist, dass gegen den Drittschuldner eine Forderung besteht. Engere Grenzen der Befugnis können bestehen, wenn der Vollstreckungsschuldner nachprüfbar oder zumindest glaubhaft erschöpfende Auskunft über seine Bankverbindungen und seine sonstigen Schuldner gegeben hat (BFH v. 18.07.2000, VII R 94/98, BFH/NV 2001, 141).
II. Inhalt der Pfändungsverfügung
Tz. 7
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Die Pfändungsverfügung muss die gepfändete Forderung nach Gläubiger, Schuldner, Rechtsgrund und Betrag genau bezeichnen, sodass der Drittschuldner zweifelsfrei erkennen kann, welche Forderung gepfändet werden soll (§ 119 Abs. 1 AO; BFH v. 18.07.2000, VII R 94/98, BFH/NV 2001, 141; BFH v. 18.07.2000, VII R 101/98, BStBl II 2001, 5). Übermäßige Anforderungen sind allerdings nicht zu stellen, da der Vollstreckungsgläubiger die Verhältnisse des Vollstreckungsschuldners meist nur oberflächlich kennen wird. Kleinere Ungenauigkeiten sind unschädlich (BFH v. 30.09.1997, VII B 67/97, BFH/NV 1998, 421; BFH v. 19.03.1998, VII B 175/97, BFH/NV 1998, 1447; BFH v. 01.04.1999, VII R 82/98, BStBl II 1999, 439). Welche Anforderungen jeweils zu stellen sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Für die Pfändung von Ansprüchen auf Rückgewähr von Steuern ist erforderlich, dass Steuerart und Erstattungsgrund – nicht des Erstattungszeitraums – angegeben werden. Die bloße Bezeichnung als "Steuererstattungsansprüche" ist nicht ausreichend (BFH v. 01.04.1999, VII R 82/98, BStBl II 1999, 439).
Tz. 8
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Ferner ist die beizutreibende Forderung gem. § 260 AO nach Grund und Betrag zu benennen. Bei Steuern, die für bestimmte Zeiträume erhoben werden, müsste grundsätzlich auch der Zeitraum bezeichnet werden. Eine lediglich summarische Angabe des Steuerbetrages unter Benennung der Steuerart genügt nach § 260 AO nicht (BFH v. 08.02.1983, VII R 93/76, BStBl II 1983, 435). Allerdings modifiziert § 309 Abs. 2 Satz 2 AO die Erfordernisse des § 260 AO für die an den Drittschuldner zuzustellende Pfändungsverfügung im Interesse der Wahrung des Steuergeheimnisses und des allgemeinen Datenschutzes. Für den Drittschuldner darf nur der beizutreibende Geldbetrag in einer Summe erkennbar gemacht werden, ohne Angabe der Steuerarten und der Zeiträume, für die er geschuldet wird (BFH v. 18.07.2000, VII R 94/98, BFH/NV 2001, 141; BFH v. 18.07.2000, VII R 101/98, BStBl II 2001, 5; BFH v. 11.12.2012, VII R 70/11, BFH/NV 2013, 796). Damit werden für ihn ggf. sonst mögliche Rückschlüsse auf Umsätze, Umsatzentwicklung, Höhe der Löhne, Vermögen, Konfession, Subventionen u. Ä. vermieden (s. § 260 AO Rz. 4).
Tz. 9
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Daneben enthält die Pfändungsverfügung das Verbot an den Drittschuldner (Schuldner der gepfändeten Forderung), an den Vollstreckungsschuldner zu zahlen (Zahlungsverbot; sog. arrestatorium, s. Rz. 15) und das Gebot an den Vollstreckungsschuldner (Gläubiger der gepfändeten Forderung), sich jeder Verfügung über die Forderung, insbes. ihrer Einziehung, zu enthalten (Verfügungsverbot; sog. inhibitorium, s. Rz. 16).
III. Form und Verfahren
Tz. 10
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Dem Drittschuldner ist die Pfändungsverfügung, die der Schriftform bedarf, förmlich zuzustellen (§§ 309 Abs. 2 Satz 1, 122 Abs. 5 AO i. V. m. dem VwZG). Die elektronische Form gem. § 126a BGB ist durch § 309 Abs. 1 Satz 2 AO ...