Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Mit den in § 328 Abs. 1 AO aufgeführten Zwangsmitteln können nur solche Verwaltungsakte durchgesetzt werden, die auf Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet sind. Demgegenüber können Verwaltungsakte, die auf eine Geldleistung gerichtet sind, nur in dem nach §§ 259 bis 327 AO zulässigen Verfahren erzwungen werden. Ergibt sich die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung, Duldung oder Unterlassung unmittelbar aus einer Rechtsvorschrift, ohne dass eine besondere behördliche Aufforderung erfolgen muss (z. B. §§ 140, 149 Satz 1 AO), können Zwangsmittel nur dann eingesetzt werden, wenn diese Pflichten zum Gegenstand einer besonderen Anordnung der Finanzbehörde gemacht worden sind. Das kann immer dann geschehen, wenn die Behörde ein besonderes Interesse an einer ordnungsmäßigen und rechtzeitigen Erfüllung hat oder eine Pflichtverletzung zu besorgen ist. Sollvorschriften, wie z. B. § 146 Abs. 1 Satz 2 AO, können entsprechend ihrer Rechtsnatur nicht erzwungen oder zum Gegenstand erzwingbarer Anordnungen gemacht werden. Im Fall der Zuwiderhandlung greifen andere Rechtsnachteile ein, z. B. Verwerfung der Buchführung und Schätzung gem. § 162 Abs. 2 Satz 2 AO.
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Der Verwaltungsakt, der mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden soll, muss sich inhaltlich im Rahmen der Befugnisse halten, die den Finanzbehörden durch Gesetz gegeben sind. Eine Handlung, die nicht einer gesetzlichen Verpflichtung entspricht und deren Anordnung nicht durch gesetzmäßige Ermessensausübung der zuständigen Finanzbehörde gedeckt wird, darf nicht erzwungen werden. Pflichtmäßige Ermessensausübung (s. § 5 AO) erfordert auch, dass nur solche Anordnungen getroffen und nötigenfalls erzwungen werden, zu deren Befolgung der Pflichtige tatsächlich in der Lage ist, ohne dass hierbei die Schwelle des Zumutbaren überschritten wird. Einschlägige Beschränkungen wird sich die Finanzbehörde z. B. bei Anordnungen auferlegen müssen, die an die in den §§ 34 bis 36 AO genannten Personen gerichtet werden sollen.
Tz. 5
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Der erzwingbare Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein (§ 119 Abs. 1 AO), d. h. er muss so gefasst sein, dass der Betroffene klar erkennen kann, was von ihm verlangt wird und ob er zur Befolgung verpflichtet ist. Insbes. muss dem Betroffenen in nachprüfbarer Weise bekannt gegeben werden, in welchen gesetzlichen Vorschriften die zu erzwingende Anordnung ihre gesetzliche Grundlage hat (BFH v. 28.10.2009, VIII R 78/05, BStBl II 2010, 455). Die einheitliche Androhung bzw. Festsetzung eines Zwangsgeldes gegen Ehegatten oder Lebenspartner zur Erzwingung von Auskünften ist mangels hinreichender inhaltlicher Bestimmtheit (§ 119 Abs. 1 AO) unzulässig, wenn nicht zu erkennen ist, welcher Teilbetrag des Zwangsgeldes auf jeden Ehegatten oder Lebenspartner entfällt (FG D v. 08.12.1981, XIII/IV 39/78 AO, EFG 1982, 498).
Tz. 6
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Schriftliche Verwaltungsakte sind grundsätzlich zu begründen (§ 121 Abs. 1 AO). Daraus folgt, dass die Androhung eines Zwangsmittels, die gem. § 332 Abs. 1 Satz 1 AO im Regelfall schriftlich erfolgt (s. § 332 AO Rz. 3), spätestens mit der Androhung ausreichend begründet werden muss.
Tz. 7
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Bei Pflichtigen, die nicht natürliche Personen sind, kann der durchzusetzende Verwaltungsakt nach dem Ermessen der Finanzbehörde entweder gegen den Pflichtigen, z. B. die Gesellschaft (vertreten durch …), oder gegen einzelne natürliche Personen (Vorstand, Geschäftsführer, Angestellter) gerichtet werden, je nachdem, wem die Befolgung zugemutet werden kann (vgl. BFH v. 06.05.2008, I B 14/08, BFH/NV 2008, 1872). Demgemäß ist z. B. bei Gesellschaften bürgerlichen Rechts die Aufforderung zweckmäßig an denjenigen Gesellschafter zu richten, der für die Wahrnehmung der betreffenden Obliegenheit zuständig und verantwortlich ist.
Tz. 8
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Zu beachten ist ferner, dass nicht jeder auf Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtete Verwaltungsakt erzwingbar ist. Die Unzulässigkeit von Zwangsmitteln kann in der Person des Aufgeforderten oder im Inhalt der Anordnung begründet sein. So sind Vollstreckungsmaßnahmen und damit auch die Zwangsmittel gegen den Bund oder ein Land schlechthin nicht zulässig (§ 255 Abs. 1 Satz 1 AO); die Vollstreckung gegen juristische Personen des öffentlichen Rechts, die der Staatsaufsicht unterliegen, ist nach § 255 Abs. 1 Satz 2 AO nur mit Zustimmung der betreffenden Aufsichtsbehörde zulässig, sofern es sich nicht um öffentlich-rechtliche Kreditinstitute handelt (§ 255 Abs. 2 AO). Nach § 95 Abs. 6 AO kann die Abgabe einer Versicherung an Eides Statt nicht mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden. Allgemein sind im Besteuerungsverfahren nach § 393 Abs. 1 Satz 2 AO Zwangsmittel gegen den Steuerpflichtigen unzulässig, wenn er dadurch gezwungen würde, sich selbst wegen einer von ihm begangenen Steue...