Tz. 5
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 370 Abs. 1 AO legt fest, welche Handlungen oder Unterlassungen vorliegen müssen, damit der Taterfolg der Verkürzung von Steuern oder der Erlangung von nicht gerechtfertigten Steuervorteilen tatbestandsmäßig verwirklicht wird. Es müssen den Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht werden (Begehungsform 1), oder es müssen diese Behörden pflichtwidrig über derartige Tatsachen in Unkenntnis gelassen werden (Begehungsform 2). Behörde in diesem Sinne sind nicht nur die Finanzbehörden, sondern auch die Finanzgerichte im Rechtsbehelfsverfahren (OLG München v. 24.07.2012, 4 St RR 099/12, wistra 2012, 490; § 11 Abs. 1 Nr. 7 StGB ist im Strafverfahren vorrangig vor § 6 AO, vgl. § 369 Abs. 2 AO). In Betracht kommt schließlich die pflichtwidrige Unterlassung der Steuerentrichtung durch Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern (Begehungsform 3). Das strafbare Verhalten liegt in der Verletzung gesetzlicher Erklärungspflichten (BGH v. 15.05.1997, 5 StR 45/97, NStZ-RR 1997, 277). Tatsachen in diesem Sinn sind solche Umstände, die nach Grund und Höhe zum gesetzlichen Steuertatbestand (s. § 38 AO) gehören, d. h. alles, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Steuertatbestandes sein kann (BFH v. 13.09.1990, V R 110/85, BStBl II 1991, 124; BGH v. 13.01.01.1988, 3 StR 450/87, wistra 1988, 196). Die Urteilsfeststellungen müssen Aussagen dazu enthalten, in welcher Weise gegen Erklärungspflichten verstoßen wurde (BGH v. 12.05.2009, 1 StR 718/08, NStZ 2009, 639).
I. Unrichtige oder unvollständige Angaben über steuererhebliche Tatsachen
Schrifttum
Janovsky, Die Strafbarkeit des illegalen Warenverkehrs, NStZ 1998, 117;
Spriegel, Umfang und Erklärungsinhalt von steuerlichen Tatsachenangaben, wistra 1998, 241; Dörn, Hinweispflicht bei Abweichen von der Rechtsansicht der Finanzverwaltung? wistra 2000, 334;
Jarke, Zur Bedeutung des Kenntnisstandes der Finanzverwaltung für den Tatbestand der Steuerhinterziehung, wistra 2000, 350;
Hellmann, Steuerstrafrechtliche Risiken umsatzsteuerfreier innergemeinschaftlicher Lieferungen, wistra 2005, 161;
Rolletschke, Die Steuerhinterziehung des untreuen Finanzbeamten, wistra 2005, 250;
Sidhu/Schemmel, Steuerhinterziehung bei grenzüberschreitenden Gewinnverlagerungen durch Festlegung unangemessener Konzernverrechnungspreise, BB 2005, 2549;
Tormöhlen, Steuerhinterziehung mittels Manipulation von EDV-Eingaben durch einen Finanzbeamten, DStZ 2006, 262;
Schwedhelm, Strafrechtliche Risiken steuerlicher Beratung, DStR 2006, 1017;
Weidemann, Verdeckte Gewinnausschüttung und das Steuerstrafrecht, wistra 2007, 201;
Theisen, Die Reichweite der Offenbarungspflicht aus steuerstrafrechtlicher Sicht, AO-StB 2008, 136;
Muhler, Die Umsatzsteuerhinterziehung, wistra 2009, 1;
Hölzle, Jetzt endgültig – keine Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen bei Täuschung über den Abnehmer, DStR 2011, 1700;
Koops/Gerber, Vollendete Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO trotz Kenntnis der Finanzverwaltung von den zutreffenden Besteuerungsrundlagen? DB 2011, 786; Peters/Pflaum, Steuerhinterziehung durch unangemessene Verrechnungspreise?, wistra 2011, 250;
Schenkewitz, Aktuelles zu steuerstrafrechtlichen Behandlung fingierter Ausfuhrlieferungen gem. § 6 UStG, BB 2011, 350;
Hüls, Bestimmtheitsgrundsatz, § 266 StGB und § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, NZWiSt 2012, 12;
Sieja, Strafrechtliche Beteiligung des steuerlichen Beraters an Steuerdelikten und Sicherungsinstrumente in der Steuerberaterpraxis, DStR 2012, 991;
Steinberg, Vollendung des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO trotz Kenntnis des zuständigen Finanzbeamten von der Fehlerhaftigkeit der gemachten Angaben? wistra 2012, 45;
Walter/Lohse/Dürrer, Innergemeinschaftliche Lieferung und Mehrwertsteuerhinterziehung in Deutschland und im EU-Ausland, wistra 2012, 125;
Trüg/Habetha, An den Grenzen der wirtschaftlichen Betrachtungsweise im Steuerstrafrecht, NStZ 2013, 684;
Sontheimer, Steuerhinterziehung bei steuerrechtlichen Streit- und Zweifelsfragen, DStR, 2014, 357;
Bülte, Blankette und normative Tatbestandsmerkmale: Zur Bedeutung von Verweisungen in Strafgesetzen, JuS 2015, 769;
Madauß, Aspekte der Umsatzsteuerhinterziehung, NZWiSt 2015, 23;
Madauß, Aspekte der Umsatzsteuerhinterziehung durch nicht erfasste (Bar-)Umsätze, NZWiSt 2015, 286; Heß, Steuerstrafrechtliche Aspekte bei der Manipulation von Pkw-Schadstoffmessungen, wistra 2016, 212;
Peters, Steuerliche Pflichten und strafrechtliche Risiken bei der Einschaltung ausländischer Basisgesellschaften, NZWiSt 2016, 374;
Kemper, Der "Missbrauch" und die Steuerhinterziehung bei der Umsatzsteuer – Die Umsetzung der "Missbrauchsrechtsprechung" des EuGH in Deutschland, UR 2017, 449.
Tz. 6
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO umschreibt die Tathandlung der Steuerhinterziehung durch aktives Tun. Demnach begeht die Tat, wer über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht. Steuerlich erheblich sind Tatsachen, wenn sie zur Ausfüllung eines Steuertatbestandes herangezogen werden müssen und damit ...