Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Hinzuziehung ist erst möglich, wenn das Einspruchsverfahren anhängig ist. Sie kann bis zur Rücknahme des Einspruchs oder Unanfechtbarkeit der Einspruchsentscheidung erfolgen. Für die Hinzuziehung sind die Erfolgsaussichten des Einspruchs zwar grundsätzlich unerheblich (BFH v. 13.01.1980, IV R 86/79, BStBl II 1981, 272), sie kann bei einem offensichtlich unzulässigen Rechtsbehelf jedoch unterbleiben (BFH v. 15.12.1997, VIII B 28/97, BFH/NV 1998, 1105). Hinzugezogen werden kann nicht der Einspruchsführer oder sein Bevollmächtigter. Demnach ist die Hinzuziehung aufzuheben, wenn der Hinzugezogene selbst Einspruch einlegt, und die Hinzuziehung anzuordnen, wenn der Einspruchsführer seinen Einspruch zurücknimmt.
I. Einfache Hinzuziehung (§ 360 Abs. 1 AO)
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Dritte können, wenn ihre rechtlichen Interessen durch die Entscheidung berührt werden, nach Anhörung des Einspruchsführers auf Antrag oder von Amts wegen zum Verfahren hinzugezogen werden (§ 360 Abs. 1 Satz 1, 2 AO). Es genügt bereits die Möglichkeit einer Interessenberührung (BFH v. 22.09.1967, VI B 10/67, BStBl II 1968, 35), wobei sich das rechtliche Interesse aus Steuergesetzen ergeben muss. Außersteuerliche Interessen rechtfertigen eine Hinzuziehung nicht (BFH v. 14.01.1975, VII B 10/74, BStBl II 1975, 388; BVerfG v. 24.07.1975, 2 BvR 358/75, HFR 1975, 463 zur Verfassungsmäßigkeit dieser Einschränkung). Auch die einfache präjudizielle Wirkung, die die Entscheidung auf parallele Steuerrechtsverhältnisse Dritter ausstrahlen kann, berechtigt nicht zur Hinzuziehung. Der Entscheidungsausspruch (Tenor) muss die Rechtsstellung des Dritten in irgendeiner Weise beeinflussen. Dabei ist unerheblich, ob die Rechtsposition des Hinzugezogenen sich verbessert, verschlechtert oder bestätigt wird (BFH v. 24.06.1971, IV R 219/68, BStBl II 1971, 714).
Tz. 5
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§ 360 Abs. 1 Satz 1 2. HS AO erwähnt ausdrücklich eine Interessenberührung in den Fällen, in denen sich eine Haftung aus den Steuergesetzen ergibt. Wird der Haftungsschuldner hinzugezogen, kann er später keine Einwendungen mehr gegen den Steueranspruch als solchen geltend machen, sondern sich nur noch gegen die Haftungsinanspruchnahme an sich wenden. Neben der Haftung aus steuerrechtlichen Vorschriften kann auch eine Haftung aus anderen Gesetzen nicht jedoch eine vertragliche Haftungsübernahme die Hinzuziehung rechtfertigen (Dumke in Schwarz/Pahlke, § 360 AO Rz. 14). Die Hinzuziehung des Haftungsschuldners ist regelmäßig ermessensgerecht (BFH v. 14.10.1997, IV B 147/96, BFH/NV 1998, 345).
Tz. 6
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Die Hinzuziehung ist zulässig, wenn bei Gesamtschuldnerschaft nur ein Gesamtschuldner gegen den einheitlichen Steuerbescheid Einspruch einlegt (BFH v. 11.01.1994, VII B 100/93, BStBl II 1994, 405; Birkenfeld in HHSp, § 360 AO Rz. 72). So kann der Grundstücksverkäufer zum Einspruchsverfahren des Grundstückserwerbers gegen den GrESt-Bescheid hinzugezogen werden (§ 13 Nr. 1 GrEStG) und der Schenker zum Verfahren des Beschenkten (§ 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG). Ein Fall notwendiger Hinzuziehung i. S. des § 360 Abs. 3 AO ist hingegen nicht gegeben (Rz. 15).
Tz. 7
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Sowohl die st. Rspr. als auch die Finanzverwaltung sehen die Hinzuziehung von zusammenveranlagten Ehegatten nicht als notwendig an, sondern lassen die einfache Hinzuziehung genügen (AEAO zu § 360, Nr. 3; BFH v. 01.04.1989, VIII R 219/84, BFH/NV 1989, 755; Dumke in Schwarz/Pahlke, § 360 AO Rz. 20, 21; Brandis in Tipke/Kruse, § 60 FGO Rz. 57; Rätke in Klein, § 360 AO Rz. 20 m. w. N.; Übersicht bei Birkenfeld in HHSp, § 360 AO Rz. 76 ff.). Die Hinzuziehung des Ehegatten, der selbst keinen Einspruch eingelegt hat, kann nur dann notwendig sein, wenn die Entscheidung über den Einspruch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen kann (§ 360 Abs. 3 AO, Rz. 9 ff.). Zusammenveranlagte Ehegatten sind jedoch Gesamtschuldner, bei denen unterschiedliche Steuerfestsetzungen möglich sind. Der Zusammenveranlagungsbescheid ist kein einheitlicher Bescheid ähnlich der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung, sondern eine Zusammenfassung zweier Bescheide zu einem gemeinsamen Bescheid (BFH v. 08.12.1976, I R 240/74, BStBl II 1977, 321). Diese Grundsätze gelten auch, wenn der andere Ehegatte eigene Einkünfte hat und widerstreitende Interessen der Ehegatten zu erkennen sind (BFH v. 12.05.1992, VIII R 33/88, BFH/NV 1992, 793; BFH v. 05.02.1971, VI R 301/66, BStBl II 1971, 331). Hat nur ein Ehegatte Einspruch eingelegt, ist eine einfache Hinzuziehung jedoch nicht ausgeschlossen, u. U. sogar zweckmäßig (BFH v. 08.12.1976, I R 240/74, BStBl II 1977, 321; AEAO zu § 360, Nr. 3). Hat der nicht als Einspruchsführer beteiligte Ehegatte eigenes Vermögen und eigene Einkünfte, wird entgegen der Rechtsprechung vereinzelt ein Fall der notwendigen Hinzuziehung angenommen (Szymczak in K/S, § 360 AO Rz. 12). Ein Fall der notwendigen Hinzuziehung ist aber gegeben, wenn das Einspruchsverfahren auf Än...