Tz. 9
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Ein Verwaltungsakt kann auch während des Einspruchsverfahrens aufgehoben oder geändert werden (§ 132 AO). Wie im finanzgerichtlichen Verfahren (§ 68 FGO) wird auch hier der ändernde Verwaltungsakt kraft Gesetzes Gegenstand des Einspruchsverfahrens (§ 365 Abs. 3 AO). Ein Antrag ist nicht erforderlich. Dies verhindert, dass der Einspruchsführer ohne erneuten Einspruch aus dem Einspruchsverfahren gedrängt wird, wenn der ursprüngliche Verwaltungsakt geändert oder durch einen neuen Verwaltungsakt ersetzt wird (BT-Drs. 10/1636, 51). Aus dem gleichen Grund sind die Begriffe des Ersetzens und Änderns auch weit auszulegen, sodass sie auch eine lediglich betragsmäßige Änderung eines Steuerbescheids oder sonstigen Verwaltungsakts erfassen (BFH v. 09.05.2012, I R 91/10, BFH/NV 2012, 2004). Dabei regelt § 365 Abs. 3 AO nur den Fall, dass die Änderung noch vor Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung erfolgt. Danach ist § 68 FGO einschlägig.
Tz. 10
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Regelung setzt zunächst ein anhängiges Rechtsbehelfsverfahren voraus. Der Einspruch gegen den ursprünglichen Verwaltungsakt muss also zulässig sein (BFH v. 13.04.2000, V R 56/99, BStBl II 2000, 490). Wird der Verwaltungsakt bereits vor Einlegung des Einspruchs geändert, ist § 365 Abs. 3 AO nicht anwendbar (Szymzcak in K/S, § 365 AO Rz. 9).
Tz. 11
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Der Begriff Ersetzung findet sich nur in § 365 Abs. 3 AO. Eine Ersetzung liegt wohl immer dann vor, wenn die Finanzbehörde den ursprünglichen Verwaltungsakt aufhebt und anstelle dessen ein neuer Verwaltungsakt mit gleichem oder modifiziertem rechtlichen Regelungsinhalt erlässt (Dumke in Schwarz/Pahlke, § 365 AO Rz. 20; zum Begriff: BFH v. 17.04.1991, II R 142/87, BStBl II 1991, 257; a. A. Birkenfeld in HHSp, § 365 AO Rz. 179b f., der die Ersetzung auf den Fall beschränkt, dass ein wirksamer Verwaltungsakt an die Stelle eines unwirksamen Verwaltungsaktes tritt nach § 365 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 AO; so wohl auch: Seer in Tipke/Kruse, § 365 AO Rz. 33). Ersetzt wird ein USt-Vorauszahlungsbescheid durch die USt-Jahreserklärung (BFH v. 03.11.2011, V R 32/10, BStBl II 2012, 525) und eine Prüfungsanordnung durch Erlass einer neuen Prüfungsanordnung denselben Zeitraum und dieselben Steuerarten betreffend (BFH v. 22.05.1979, VIII 218/78, BStBl II 1979, 741). Dagegen lässt ein geänderter Feststellungsbescheid nach § 180 Abs. 1 Nr. 3 AO den Einheitswertbescheid nach § 180 Abs. 1 Nr. 1 AO unberührt (BFH v. 26.10.1994, II R 99/93, BFH/NV 1995, 613). Ein geänderter GewSt-Messbescheid wird auch nicht Gegenstand des Rechtsbehelfsverfahrens gegen den ESt-Bescheid (BFH v. 01.12.1976, I R 73/76, BStBl II 1977, 315).
Tz. 12
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Wird der Verwaltungsakt geändert, ist zu differenzieren. Entspricht der ändernde Verwaltungsakt dem Einspruchsantrag, so erledigt sich das Verfahren in der Hauptsache. Nach einer Vollabhilfe bedarf es keiner Einspruchsentscheidung mehr (BFH v. 21.12.2012, IX B 101/12, BFH/NV 2013, 510). Wird dem Einspruch nur teilweise abgeholfen (Teilabhilfe), wird der geänderte Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens, ohne dass es einer erneuten Einspruchseinlegung bedarf. Die Einspruchsentscheidung ergeht nur insoweit dem Einspruch noch nicht abgeholfen wurde. Der verbösernde Verwaltungsakt wird Gegenstand des Einspruchsverfahrens. Er kann nicht erneut angefochten werden.
Tz. 13
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Für die Teilrücknahme bzw. den Teilwiderruf gilt § 365 Abs. 3 AO nicht, da der ursprüngliche Verwaltungsakt eingeschränkt bestehen (§ 124 Abs. 2 AO) und damit auch der Einspruch anhängig bleibt (BT-Drs. 10/1636, 51).
Tz. 14
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Während des Einspruchsverfahrens kann die Finanzbehörde auch offenbare Unrichtigkeiten nach § 129 AO korrigieren. § 365 Abs. 3 AO ist nunmehr auch auf diese Fälle erstreckt worden (§ 365 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO). Der berichtigende Verwaltungsakt wird zum Gegenstand des Verfahrens. Der Einspruchsführer braucht auch dann keinen neuen Einspruch einzulegen, wenn er geltend macht, die Voraussetzungen des § 129 AO hätten nicht vorgelegen (neue Beschwer).
Tz. 15
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Wird ein unwirksamer Verwaltungsakt angefochten, kann die Finanzbehörde ihn durch einen wirksamen ersetzen, der dann zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens wird (§ 365 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 AO). Ein Verwaltungsakt ist auch dann anfechtbar, wenn er unwirksam ist. Zwar entfaltet weder der nichtige (§ 124 Abs. 3 AO) noch der nicht ordnungsgemäß bekannt gegebene und deshalb unwirksame Verwaltungsakt Rechtswirkungen. Sie können aber den Rechtsschein der Wirksamkeit für sich haben, der nur durch Aufhebung beseitigt werden kann (BFH v. 07.08.1985, I R 309/82, BStBl II 1986, 42). Eine Frist für die Anfechtung gibt es nicht. Auf die Anfechtung hin ist der unwirksame Verwaltungsakt aufzuheben und an seiner Stelle ein wirksamer zu erlassen (Birkenfeld in HHSp, § 365 AO Rz. 179b f., der darin eine Er...