Tz. 12
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Entscheidungen in einem Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10 AO) können nicht durch Anfechtung des Folgebescheides (§ 182 Abs. 1 AO) angegriffen werden (§ 351 Abs. 2 AO). Dies ist die Konsequenz aus der Bindungswirkung von Grundlagenbescheiden für die auf ihnen beruhenden Folgebescheide (zur rechtlichen Einordnung des § 351 Abs. 2 AO s. Rz. 2). Keine Bindungswirkung besteht hinsichtlich der Wirksamkeit von Grundlagenentscheidungen. Die Wirksamkeit des Grundlagenbescheids ist im Einspruchsverfahren gegen den Folgebescheid selbstständig zu prüfen (Siegers in HHSp § 351 AO Rz. 128; BFH v. 25.03.1986, III B 6/85, BStBl II 1986, 477). Der Steuerpflichtige kann daher im Einspruchsverfahren gegen den Folgebescheid einwenden, der Grundlagenbescheid sei wegen fehlerhafter Bekanntgabe (§ 124 Abs. 1 AO) unwirksam. Einwendungen können nur gegen den Feststellungsbescheid (Grundlagenbescheid), nicht gegenüber dem Einkommensteuerbescheid (Folgebescheid) geltend gemacht werden (BFH v. 10.04.2014, III R 20/13, BStBl II 2016, 583).
Tz. 13
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Im Verhältnis von Grundlagenbescheid zu Folgebescheid stehen insbes. folgende Bescheide:
- der Gewinnfeststellungsbescheid zum ESt-Bescheid (BFH v. 29.09.1977; VIII R 67/76, BStBl II 1978, 44),
- der Einheitswertbescheid zum GewSt-Messbescheid (BFH v. 18.07.1973, I R 250/70, BStBl II 1973, 787),
- der GewSt-Messbescheid zum GewSt-Bescheid (BFH v. 11.07.1996, IV R 67/95, BFH/NV 1997, 114),
- die Steuerfestsetzung zum Duldungsbescheid (BFH v. 01.03.1988, VII R 109/86, BStBl II 1988, 408),
- die Steuerfestsetzung zum Abrechnungsbescheid (BFH v. 22.07.1986, VII R 10/82, BStBl II 1986, 776),
- die Steuerfestsetzung zum Zinsbescheid (FG Ha v. 23.09.1985, III 309/83, EFG 1986, 106),
- der Messbetragsbescheid zum Zerlegungs- und Zuteilungsbescheid (BFH v. 24.03.1992, VIII R 33/90, BStBl II 1992, 869).
§ 351 Abs. 2 AO gilt nicht im Verhältnis Steuerbescheid – Haftungsbescheid oder ESt-Bescheid zum GewSt-Messbescheid.
Tz. 14
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 351 Abs. 2 AO findet erst Anwendung, wenn der Grundlagenbescheid erlassen wurde. Dies gilt insbes. für den Fall der Schätzung von Besteuerungsgrundlagen, die eigentlich über ein gesondertes Feststellungsverfahren ermittelt werden müssten (§ 155 Abs. 2 i. V. m. § 162 Abs. 5 AO). Der Einspruch gegen den Folgebescheid wird unzulässig, sobald der Grundlagenbescheid – im laufenden Einspruchsverfahren des Folgebescheids – ergeht (Rz. 2). Zum Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung gilt dann nämlich bereits § 351 Abs. 2 AO. Der BFH ist – wohl allein vor dem Hintergrund der Ablaufhemmung des § 171 Abs. 3a Satz 2 2. HS AO – anderer Auffassung und meint – ohne dies jedoch näher zu begründen –, dass § 351 Abs. 2 AO insoweit keine Anwendung findet, weil im Moment der Einspruchseinlegung "Entscheidungen in einem Grundlagenbescheid" noch nicht vorhanden waren (BFH v. 12.02.2010, II R 38/08, BFH/NV 2010, 1236). Dies überzeugt nicht, denn in Konsequenz der Ansicht des BFH müsste nun im weiterhin zulässigen Einspruchsverfahren des Folgebescheides eine materiellrechtliche Entscheidung über den dem Grundlagenbescheid zugewiesenen Regelungsinhalt ergehen, die auch abweichend von einer Entscheidung im Verfahren gegen den nun erlassenen Grundlagenbescheid sein könnte. Dies ist systemwidrig und hätte der BFH den konkreten Fall besser über § 171 Abs. 3a Satz 2 2. HS AO dahingehend entschieden, dass es für die einmal mit Einlegung eines zu diesem Zeitpunkt zulässigen Einspruches eingetretene Ablaufhemmung verbleibt, auch wenn dieser Einspruch später, nach Erlass eines Grundlagenbescheides, unzulässig wird. Denn auch der BFH ist der Auffassung, dass sich das (nach hiesiger Auffassung unzulässig gewordene) Einspruchsverfahren gegen den Folgebescheid nicht als solches gegen den nun ergangenen Grundlagenbescheid fortsetzt, vielmehr handelt es sich um ein gesondertes Verfahren und muss auch gesondert Einspruch gegen diesen Grundlagenbescheid eingelegt werden.