Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Abweichend von dem in § 170 Abs. 1 AO aufgestellten Grundsatz wird nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO in den Fällen, in denen eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen bzw. eine Anzeige zu erstatten ist, der Anlauf der Festsetzungsfrist gehemmt. Zur Geltung für Besitz- und Verkehrsteuern a. AEAO zu § 170, Nr. 3 Abs. 1. Der Beginn der Festsetzungsfrist wird bis zum Ablauf des Kalenderjahres aufgeschoben, indem die Einreichungspflicht erfüllt wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, indem die Steuer entstanden ist (bezüglich des Begriffs der Festsetzungsfrist bei Aufforderung des FA zur Einreichung einer Schenkungsteuererklärung nach Anzeigeerstattung gem. § 30 ErbStG BFH v. 27.08.2008, II R 36/06, BStBl II 2009, 232). Durch die Anordnung einer Anlaufhemmung wird verhindert, dass die Festsetzungsfrist bei Nichtabgabe der Steuererklärung, Steueranmeldung oder Anzeige verkürzt wird. Ohne diese Regelung hätte es der Stpfl. in der Hand, durch Nichtabgabe der Steuererklärung den der Finanzbehörde für die Steuerfestsetzung zur Verfügung stehenden Zeitraum beliebig zu verkürzen (BFH v. 06.07.2005, II R 9/04, BStBl II 2005, 780). Demgegenüber wird durch die Anordnung des Beginns der Festsetzungsfrist spätestens im dritten Kalenderjahr die Finanzbehörde genötigt, die Abgabe der Steuererklärung zu überwachen und notfalls zu erzwingen (Drüen in Tipke/Kruse, § 170 AO Rz. 7a).
I. Steuererklärung und Steueranmeldung
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Zu den Begriffen der Steuererklärung und Steueranmeldung, s. § 149 AO Rz. 1; s. § 150 AO Rz. 3. Auch eine von einem Dritten unterschriebene und bei der Finanzbehörde eingereichte Steuererklärung kann zumindest dann eine Steuererklärung i. S. des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO sein, wenn die Finanzbehörde aus der Erklärung die richtigen Schlüsse auf den Steuerschuldner und die zu veranlagende Steuer ziehen kann und in Kenntnis des Umstandes, dass die Steuererklärung von einem Dritten stammt, diese Erklärung zur Grundlage der Veranlagung macht (BFH v. 10.11.2002, V B 190/01, BFH/NV 2003, 292; Banniza in HHSp, § 170 AO Rz. 42; Cöster in Koenig, § 170 AO Rz. 14). Auch eine als "vorläufig" bezeichnete Steuererklärung ist eine Steuererklärung i. S. des § 170 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 AO (BFH v. 17.09.2007, I B 18/07, BFH/NV 2008, 18; Drüen in Tipke/Kruse, § 170 AO Rz. 12).
II. Anzeige
Tz. 5
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Anzeigen sind Mitteilungen über Vorgänge, die steuerlich erheblich sein können, weil sie es den Finanzbehörden ermöglichen, diese zu prüfen und ggf. eine Steuer festzusetzen. Anzeigepflichten des Stpfl. sind z. B. Anzeigen als Erwerber nach § 30 ErbStG (BFH v. 10.11.2004, II R 1/03, BStBl II 2005, 244), nicht jedoch die besondere Mitteilung für Kindergeld nach § 68 Abs. 1 Satz 1 EStG (BFH v. 18.05.2006, III R 80/04, BStBl II 2008, 37). Die Anzeigen nach § 19 GrEStG sind nach § 19 Abs. 5 GrEStG Steuerklärungen i. S. der AO, mithin Steuererklärungen nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO (auch Cöster in Koenig, § 170 AO Rz. 14, Drüen in Tipke/Kruse, § 170 AO Rz. 8). Bei den Anzeigen handelt es sich um Eigenanzeigen, nicht aber von Dritten zu erfüllende Anzeigen (Fremdanzeigen). Die Nichterfüllung einer Anzeigepflicht Dritter, die nicht Vertreter des Stpfl. sind, führt zu keiner Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO, weil der Stpfl. auf die Einhaltung der ihnen obliegenden Anzeigepflichten keinen Einfluss hat (BFH v. 04.08.1999, II R 63/97, BFH/NV 2000, 409, BFH v. 06.07.2005, II R 9/04, BStBl II 2005, 780; BFH v. 26.02.2007, II R 50/06, BFH/NV 2007, 1535). Zu den Anzeigen Dritter zählen Anzeigen z. B. von Vermögensverwaltern und -verwahrern, Versicherungsunternehmern, Gerichten, Behörden, Beamten und Notaren (§ 34 ErbStG, § 18 GrEStG). Nicht als Dritter in diesem Sinne gelten Anzeigen eines Testamentsvollstreckers (BFH v. 07.12.1999, II B 79/99, BStBl II 2000, 233; auch BFH v. 27.08.2008, II R 36/06, BStBl II 2009, 232). Obwohl § 153 Abs. 1 und 2 AO dem Wortlaut nach von Anzeigen sprechen, geht es inhaltlich nicht um Anzeigen i. S. des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO. Es handelt sich inhaltlich um eine Berichtigung einer Erklärung, die nach § 171 Abs. 9 AO nur zu einer Ablaufhemmung führt (AEAO zu § 170, Nr. 3, BFH v. 22.01.1997, II B 40/96, BStBl II 1997, 266, Drüen in Tipke/Kruse, § 170 AO Rz. 8, 14, Banniza in HHSp, § 170 AO Rz. 22).
III. Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung, Steueranmeldung oder Anzeige
Tz. 6
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung, Steueranmeldung oder Anzeige kann aus Gesetz oder aus einer Aufforderung der Finanzbehörde (§ 149 Abs. 1 Satz 2 AO) resultieren (BFH v. 04.10.2017, VI R 53/15, BStBl II 2018, 123; auch s. § 149 AO Rz. 4. Die Aufforderung der Finanzbehörde zur Abgabe einer Erklärung (§ 149 Abs. 1 Satz 2 AO) führt nur dann zu einer Abweichung vom regelmäßigen Beginn der Festsetzungsfrist (§ 170 Abs. 1 AO), wenn diese vor Ablauf der Regelfestsetzungsfrist wirksam wurde (vgl. auch AEAO zu § 170, Nr. 3). Der Beginn d...