I. Allgemein
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Entscheidung, in welchem Aufgabenbereich die Fahndung im Einzelfall tätig ist (s. Rz. 1), ist von großer Bedeutung für die Frage, welche Verfahrensvorschriften Anwendung finden und welcher Rechtsweg gegeben ist. § 393 Abs. 1 Satz 1 AO verlangt eine eindeutige Trennung. Erfüllt die Fahndung im Einzelfall straf- oder bußgeldrechtliche Aufgaben, sind die Vorschriften der Strafprozessordnung einschlägig und der Rechtsweg zur ordentlichen Gerichtsbarkeit und nicht der Finanzrechtsweg ist gegeben, da es sich nicht um eine Abgabenangelegenheit nach § 347 Abs. 1 Nr. 1 AO bzw. § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO handelt (s. § 347 Abs. 3 AO, § 33 Abs. 3 FGO; im Einzelnen s. § 33 FGO Rz. 15); wird sie im Besteuerungsverfahren tätig, gelten die Vorschriften der AO und der Finanzrechtsweg (§ 347 Abs. 1 Nr. 1 AO bzw. § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO) ist gegeben (BFH v. 06.02.2001, VII B 277/00, BStBl II 2001, 306; AEAO zu § 208, Nr. 3; s. Rz. 14). Die Fahndung darf auch nicht zur Optimierung ihrer Arbeit die Verfahrensart wechseln.
Tz. 3a
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 AO ist – auch wenn sie steuerrechtliche Ermittlungen durchführt (§ 208 Abs. 1 Nr. 2 AO) – keine Außenprüfung, weil grundsätzliche und systematische Unterschiede zwischen beiden Institutionen bestehen. Herrschend wird der Begriff "Außenprüfung" in der AO (z. B. in § 171 Abs. 4 AO und § 173 Abs. 2 AO, § 193ff. AO) im rechtlichen und nicht bloß im funktionalen Sinn ausgelegt (h. M., u. a. BFH v. 11.12.1997, V R 56/94, BStBl II 1998, 367; BFH v. 04.09.2000, I B 17/00, BStBl II 2000, 648 m. w. N.; Gosch in Gosch, § 194 AO Rz. 237 m. w. N.; Seer in Tipke/Kruse, § 208 AO Rz. 38 und 114; von Wedelstädt, DB 2004, 948, 950; von Wedelstädt, AO-StB 2005, 321, 325 m. w. N.; AEAO zu § 173, Nr. 8.4). Verwendet ein Gesetz einen bestimmten Begriff, kann er m. E. regelmäßig nur einheitlich und damit der Begriff "Außenprüfung" nur an den §§ 193ff. AO ausgelegt werden. Dagegen beurteilt der VII. Senat des BFH (BFH v. 25.07.2000, VII B 28/99, BStBl II 2000, 643; BFH v. 21.03.2002, VII B 152/01, BStBl II 2002, 495) das Tätigwerden der Steuerfahndung nach seinem funktionalen Sinn und sieht auf § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO gestützte Maßnahmen der Steuerfahndung als Außenprüfung im funktionalen Sinn an. Bei Prüfungen nach § 208 Abs. 2 Nr. 1 AO dagegen handelt es sich um Außenprüfungen.
Tz. 3b
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Zum Verwertungsverbot von Prüfungsfeststellungen aufgrund rechtswidriger Prüfungsmaßnahmen s. § 196 AO Rz. 14 ff. § 30a AO, der das sog. Bankgeheimnis regelte, ist durch das StUmgBG mit Wirkung vom 25.06.2017 aufgehoben worden und steht Ermittlungen gegenüber Kreditinstituten nicht entgegen. Die Vorschrift ist ab dem 25.06.2017 auch auf Sachverhalte, die vor diesem Zeitpunkt verwirklicht worden sind, nicht mehr anzuwenden (Art. 97 § 1 Abs. 12 EGAO).
II. Erforschung von Steuerstraftaten und -ordnungswidrigkeiten (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO)
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
In der Erforschung von Steuerstraftaten nach § 369 AO, §§ 370 bis 376 AO und von Steuerordnungswidrigkeiten nach §§ 378 bis 384 AO hat die Fahndung die wichtigste Aufgabe. Sie erstreckt sich auch auf solche Bereiche, für die die Straf- und Bußgeldvorschriften kraft gesetzlicher Verweisung für anwendbar erklärt worden sind, wie z. B. in § 8 Abs. 2 WoPG, § 14 Abs. 3 5. VermBG, § 7 InvZulG 2005, § 14 InvZulG 2007; § 15 Abs. 2 EigZulG und § 164 StBerG.
Tz. 4a
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Eine Tätigkeit der Steuerfahndung zur Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO setzt die Einleitung eines steuerstrafrechtlichen oder steuerbußgeldrechtlichen Ermittlungsverfahrens voraus (§ 397 AO, § 410 AO). Nach Einleitung des Steuerstraf- oder Steuerordnungswidrigkeitsverfahrens ist die Fahndung daher regelmäßig im Rahmen des Steuerstrafverfahrens tätig, auch wenn sie im Zusammenhang mit dem eingeleiteten Ermittlungsverfahren gem. § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO Besteuerungsgrundlagen ermittelt; nur wenn sie in solchen Fällen nach außen objektiv und eindeutig erkennbar außerhalb des eingeleiteten Steuerstrafverfahrens ausschließlich im Besteuerungsverfahren tätig wird, handelt es sich um eine Abgabenangelegenheit (BFH v. 06.02.2001, VII B 277/00, BStBl II 2001, 306 m. w. N.). Das liegt z. B. vor in Fällen, in denen sich die steuerlichen Ermittlungen gegen einen Dritten und nicht gegen denjenigen richten, gegen den das Strafverfahren eingeleitet worden ist (s. Rz. 9 a. E.). Solange noch kein Straf- oder Bußgeldverfahren eingeleitet ist, finden Ermittlungen der Fahndung im Rahmen des § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO statt (u. a. BFH v. 06.02.2001, VII B 277/00, BStBl II 2001, 306 m. w. N.).
Tz. 5
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Im Steuerstrafverfahren wird die Fahndung nach dem Legalitätsprinzip tätig. Bei Vorliegen eines Anfangsverdachts muss sie das Strafverfahren einleiten. Ein Anfangsverdacht liegt vor, wenn "zureichende tatsächliche Anhaltspunkte" für die Tat gegeben sind (§ 152 Abs. 2 StPO)...