I. Allgemeines
Tz. 11
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 183 Abs. 2 AO regelt Ausnahmen von der vereinfachten Bekanntgabe an gemeinsame Empfangsbevollmächtigte. Die Vorschrift zeigt, dass die Vereinfachungsregelung einen intakten Informationsfluss innerhalb der Gesellschaft oder Gemeinschaft voraussetzt. Die Finanzbehörde darf von der Möglichkeit des § 183 Abs. 1 AO nicht Gebrauch machen, wenn ihr bekannt ist, dass einer der Ausnahmefälle des § 183 Abs. 2 AO vorliegt. Der Kenntnis der Finanzbehörde steht es im Falle des Ausscheidens eines Beteiligten gleich, wenn das Ausscheiden im Handelsregister eingetragen ist (BFH v. 14.12.1978, IV R 221/75, BStBl II 1979, 503 m. w. N.). Es ist es Aufgabe der Beteiligten, die Finanzbehörde vom Vorliegen eines Ausnahmefalles zu informieren, da diese sich in ihrer Sphäre abspielen. Tun sie es nicht, müssen sie den Anschein des Fortbestehens der bisherigen Verhältnisse gegen sich gelten lassen. Ein Kennenmüssen der Finanzbehörde reicht nicht, Ermittlungen braucht sie nicht anzustellen, es sei denn, sie habe aus den ihr bekannten Umständen begründeten Anlass, einen Ausnahmefall anzunehmen (Söhn in HHSp, § 183 AO Rz. 121 m. w. N.).
Tz. 12
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
In den Ausnahmefällen ist der einheitliche Feststellungsbescheid gesondert bekannt zu geben, und zwar allen Beteiligten, es sei denn, es sind wie beim Ausscheiden eines Gesellschafters oder bei ernstlichen Meinungsverschiedenheiten einzelne Beteiligte betroffen; hier verbleibt es bei den übrigen bei der Bekanntgabe an den Empfangsbevollmächtigten (Brandis in Tipke/Kruse, § 183 AO Rz. 20; AEAO zu § 122, Nr. 2.5.5 Abs. 2).
II. Die Ausnahmefälle nach § 183 Abs. 2 AO
Tz. 13
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Gesellschaft oder Gemeinschaft besteht nicht mehr. Dies ist nicht nur der Fall, wenn sie zivilrechtlich beendet ist, sondern erfasst alle Situationen der Auflösung der Gesellschaft, in denen der Informationsfluss gestört sein kann, wie z. B. die Einstellung ihrer Tätigkeit. Tritt die Gesellschaft in die Liquidationsphase, ist bei Personenhandelsgesellschaften der Feststellungsbescheid dem oder den Liquidatoren unter Angabe des Vertretungsverhältnisses, bei Gesellschaften bürgerlichen Rechts und Gemeinschaften allen Gesellschaftern als Liquidatoren bekannt zu geben, denen nach § 730 Abs. 2 BGB die Geschäftsführungsbefugnis nur gemeinschaftlich zusteht (AEAO zu § 122, Nr. 2.7.2 Abs. 2). In diesen Fällen kann aber von der Regelung des § 183 Abs. 1 Satz 2 AO Gebrauch gemacht werden, da die Gesellschaft noch nicht beendet ist (BFH v. 26.10.1989, IV R 23/89, BStBl II 1990, 333; Söhn in HHSp, § 183 AO Rz. 130). Nach Abschluss der gesellschaftsrechtlichen Liquidation kann an den Liquidator nicht mehr bekanntgegeben werden, da sei Amt beendet ist (AEAO zu § 122, Nr. 2.5.2 Abs. 4 m. w. N.). Es besteht aber die Möglichkeit nach § 183 Abs. 3 AO den Feststellungsbescheid einem Empfangsbevollmächtigten bekannt zu geben. Bei Vollbeendigung einer Personengesellschaft (s. § 180 AO Rz. 11) sind Feststellungsbescheide, bei denen die Feststellungen die Zeit der Zugehörigkeit der Gesellschafter zur Gesellschaft betreffen, allen früheren Gesellschaftern einzeln bekannt zu geben. Haben die früheren Gesellschafter einen gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten nach § 183 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 AO bestellt, können die Feststellungsbescheide diesem bekannt gegeben werden (BFH v. 31.08.1999, VIII R 21/98, BFH/NV 2000, 554 m. w. N.). Bei Eröffnung der Insolvenz über das Vermögen der Gesellschaft, nicht aber der Gesellschafter, wird die Personengesellschaft zivilrechtlich aufgelöst (§ 728 Abs. 1 BGB, § 131 Abs. 1 Nr. 3, § 161 Abs. 2 HGB); der Feststellungsbescheid ist den Gesellschaftern einzeln bekannt zu geben (AEAO zu § 251, Nr. 4.4.1.1 Abs. 5; s. § 179 AO Rz. 5), nicht an den Insolvenzverwalter. Wurde eine Empfangsvollmacht nach § 183 Abs. 1 Satz 1 AO erteilt, kann weiterhin bis zum Widerruf an den Empfangsbevollmächtigten bekannt gegeben werden (AEAO zu § 122, Nr. 2.5.5 Abs. 3 m. w. N.; AEAO zu § 251, Nr. 4.4.1.1 Abs. 5).
Tz. 14
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Ein Gesellschafter oder Gemeinschafter ist ausgeschieden. Dies betrifft sowohl das rechtliche Ausscheiden wie den Tod des Gesellschafters, wenn der Erbe nicht in die Gesellschafterstellung des Verstorbenen eintritt. Betroffen sind auch Feststellungszeiträume vor dem Ausscheiden. Scheidet aus einer zweigliedrigen Personengesellschaft ein Gesellschafter aus und führt der andere das Unternehmen fort, liegt ein Fall der Vollbeendigung vor (s. Rz. 12; BFH v. 30.03.1978, IV R 72/74, BStBl II 1978, 503).
Tz. 15
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Zwischen den Gesellschaftern bestehen ernstliche Meinungsverschiedenheiten. Ernstliche Meinungsverschiedenheiten sind solche, die das üblicherweise unter den Beteiligten bestehende gegenseitige Vertrauensverhältnis so ernstlich untergraben, dass das Funktionieren des notwendigen Zusammenwirkens unter den Beteiligten, insbes. der Informationsaustausch über die gemeinschaftlichen Belange nic...