Katharina Wagner, Dr. Klaus J. Wagner
I. Vollzogene Verwaltungsakte
Tz. 21
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Ist der angefochtene Verwaltungsakt schon vollzogen, kann das Gericht nach § 100 Abs. 1 Satz 2 FGO auf Antrag aussprechen, dass und wie die Finanzbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat, und zwar unter der Voraussetzung, dass die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist (§ 100 Abs. 1 Satz 3 FGO). Rückgängig gemacht werden können nur die unmittelbaren Folgen der Vollziehung (Befolgung) des Verwaltungsakts. Die praktische Bedeutung dieser Vorschrift ist gering, da erfahrungsgemäß die Finanzbehörden aus rechtskräftigen Urteilen, die einen Steuerbescheid aufheben oder ändern, umgehend die Folgen zu ziehen pflegen, ohne gesondert zur Erstattung verurteilt zu sein. Deshalb fehlt einem entsprechenden förmlichen Begehren regelmäßig so lange das Rechtsschutzbedürfnis, bis erkennbar wird, dass das FA von sich aus nicht die sich aus der Entscheidung ergebenden Folgen ziehen wird (s. BFH v. 16.07.1980, VII R 24/77, BStBl II 1980, 632; a. A. Brandis in Tipke/Kruse, § 100 FGO Rz. 45).
II. Fortsetzungsfeststellungsklage
Tz. 22
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Hat sich der Verwaltungsakt vor Entscheidung durch das Gericht über die Klage durch Rücknahme oder auf sonstige Weise erledigt (zum Erledigungsbegriff s. § 138 FGO Rz. 3), kann der Kläger beantragen, dass das Gericht durch Urteil ausspricht, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, sofern der Kläger ein berechtigtes (nicht nur rechtliches) Interesse an dieser Entscheidung hat (§ 100 Abs. 1 Satz 4 FGO). Fehlt es an einer Erledigung des VA, ist eine Fortsetzungsfeststellungsklage nicht statthaft (BFH v. 27.07.2010, VII B 227/09, BFH/NV 2010, 2238). Für diesen Übergang von der Anfechtungsklage zur Feststellungsklage hat sich der Ausdruck Fortsetzungsfeststellungsklage eingebürgert. Der Antrag setzt eine verwaltungsaktbezogene Klage voraus, sodass eine Fortsetzungsfeststellungsklage bei Leistungs- und Feststellungsklagen nicht möglich ist. Obwohl § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO die Entscheidung in Anfechtungssachen betrifft, ist die Fortsetzungsfeststellungsklage auf Verpflichtungsklagen entsprechend anwendbar, die ja meist auch ein Anfechtungsbegehren umfassen (st. Rspr., u. a. BFH v. 19.06.1991, I R 37/90, BStBl II 1991, 914; BFH v. 28.06.2000, X R 24/95, BStBl II 2000, 514). Im vorläufigen Rechtsschutzverfahren (§§ 69, 114 FGO) ist § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO nicht entsprechend anwendbar (BFH v. 29.04.1992, VI B 152/91, BStBl II 1992, 752 m. w. N.; BFH v. 17.07.2013, III B 30/13, BFH/NV 2013, 1625). Der Antrag, der auch im Revisionsverfahren, ungeachtet dessen, ob der Kläger oder die beklagte Behörde Revisionskläger ist, möglich ist (BFH v. 16.12.1986, VIII R 123/83, BStBl II 1987, 248; BFH v. 12.01.1988, VII R 55/84, BFH/NV 1988, 453; BFH v. 19.04.2016, II B 66/15, BFH/NV 2016, 1059), muss ausdrücklich gestellt werden; dies kann auch hilfsweise geschehen (BFH v. 16.04.1986, I R 32/84, BStBl II 1986, 736).
Tz. 23
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Hat sich der Verwaltungsakt vor Klageerhebung erledigt, ist eine Klage, mit der von Anfang an die Feststellung der Rechtswidrigkeit dieses Verwaltungsakts begehrt wird, als zulässig anzusehen, denn da die Erhebung einer eigenständigen Feststellungsklage in einem derartigen Fall nicht unter § 41 Abs. 1 FGO subsumiert werden kann, würde der Rechtsschutz des Klägers in Abhängigkeit von zeitlichen Zufälligkeiten ausgehöhlt werden. Der Fortsetzungszusammenhang mit der Anfechtungsklage dokumentiert sich in der Forderung, dass diese "uneigentliche Fortsetzungsfeststellungsklage" in ihrer Zulässigkeit insoweit von der Zulässigkeit der Anfechtungsklage unter der fiktiven Voraussetzung abhängig ist, dass sich der angefochtene Verwaltungsakt nicht zwischenzeitlich erledigt hätte. Zur Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage in solchen Fällen s. auch BFH v. 07.08.1979, VII R 14/77, BStBl II 1979, 708; BFH v. 05.04.1984, IV R 244/83, BStBl II 1984, 790 und (betr. Vorauszahlungsbescheide) BFH v. 21.06.1990, V R 97/84, BStBl II 1990, 804. Unberührt bleibt das Erfordernis der Erfüllung aller im Gesetz für die Erhebung der Anfechtungsklage vorgeschriebenen Prozess- (Sachurteils-)Voraussetzungen.
Tz. 24
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist nur zulässig, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse (= besondere Sachentscheidungsvoraussetzung) an der Feststellung der Rechtswidrigkeit hat. Die begehrte Festsetzung muss geeignet sein, zu einer Positionsverbesserung des Stpfl. zu führen. Daran fehlt es, wenn der Kläger nur ein allgemeines Interesse an der Klärung einer Rechtsfrage geltend macht (BFH v. 10.02.2010, XI R 3/09, BFH/NV 2010, 1450; BFH v. 22.07.2008, VIII R 8/07, BStBl II 2008, 941). Ein berechtigtes Interesse ist ein durch die Sachlage vernünftigerweise gerechtfertigtes Interesse, das rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein kann. kann (BFH v. 16.12.1986, VIII R 123/86, BStBl II 1987, 249; BFH v. 19.04.2016, II B 66/15, BFH/NV 2016, 1059). Das besondere Interesse k...