I. Verfassungsrecht und einfaches Gesetz
Tz. 9
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Normen des Verfassungsrechts zählen ohne Zweifel zu den Rechtsnormen i. S. v. § 4 AO. Dazu gehören zum einen die Vorschriften des GG, aber auch die daraus abgeleiteten Rechtsgrundsätze und Verfassungsprinzipien. Für das Steuerrecht haben insbes. die Grundrechte aus Art. 1 und 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG Bedeutung. Dabei kommt Art. 3 Abs. 1 GG eine besondere Bedeutung zu, da sich hieraus u. a. das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und das Gebot der Folgerichtigkeit ableitet (z. B. BVerfG v. 09.12.2008, 2 BvL 1, 2/07, 1,2/08, BVerfGE 122, 210; BVerfG v. 06.07.2010, 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268). Aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgen u. a. die Prinzipien der Normenbestimmtheit, Normenklarheit und Normenwahrheit (z. B. Bartone in Rensen/Brink, S. 305 ff.), der Vertrauensschutz und im Zusammenhang damit das grundsätzliche Rückwirkungsverbot (dazu z. B. BVerfG v. 07.07.2010, 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, BVerfGE 127, 1; BVerfG v. 07.07.2010, 2 BvL 1/03, 2 BvL 57/06, 2 BvL 58/06, BVerfGE 127, 31; BVerfG v. 07.07.2010, 2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05, BVerfGE 127, 61).
Tz. 10
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Wesentliche Rechtsquellen für das Steuerrecht und damit Rechtsnormen i. S. v. § 4 AO sind die aufgrund der Ermächtigung in Art. 105 Abs. 2 GG im förmlichen Gesetzgebungsverfahren (Art. 76 ff. GG) als Parlamentsgesetze erlassenen Steuergesetze (AO, EStG, KStG, UStG, GewStG etc.). Zu nennen sind an dieser Stelle auch die Landesgesetze mit steuerrechtlichem Regelungsgehalt, die aufgrund der Ermächtigung in Art. 105 Abs. 2a GG sowie in Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 6 WRV erlassen wurden, also die KAG und die KiStG (s. § 1 AO Rz. 31 f.).
Tz. 11
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vorläufig frei
II. Rechtsverordnungen
Tz. 12
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Rechtsverordnungen sind Rechtsnormen, die nicht in förmlichen Gesetzgebungsverfahren zustande kommen, sondern von der Exekutive, also der Bundesregierung oder dem BMF, aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Ermächtigung nach Maßgabe des Art. 80 GG erlassen werden (Art. 80 GG). Inhaltlich unterscheiden sie sich nicht von förmlichen Gesetzen, daher zählen sie zu den Gesetzen im materiellen Sinn. Rechtsverordnungen sind im Steuerrecht von großer Bedeutung. Die wesentlichen Einzelsteuergesetze enthalten entsprechende Ermächtigungen, von denen in Form der Durchführungsverordnungen Gebrauch gemacht wurde: z. B. EStDV (§ 51 EStG), LStDV (§ 51 Abs. 3 EStG), KStDV (§ 33 KStG), GewStV (§ 35c GewStG), UStDV (§ 26 UStG), ErbStDV (§ 36 ErbStG). Nach Maßgabe des Art. 80 Abs. 2 GG bedürfen sie der Zustimmung des Bundesrates (vgl. Art. 105 Abs. 3, Art. 106 Abs. 2 und Abs. 3 GG).
Tz. 13
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Die Ermächtigung und die Voraussetzung zum Erlass von Rechtsverordnungen müssen sich gem. Art. 80 GG aus dem jeweiligen Einzelsteuergesetz ergeben. Da Rechtsverordnungen diese Gesetze nur (mit allgemeinverbindlicher Wirkung) konkretisieren sollen (und dürfen), sind die wesentlichen Regelungen dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehalten (z. B. BVerfG v. 01.04.2014, 2 BvF 1/12, 2 BvF 3/12, BGBl I 2014, 871). Im Bereich des Steuerrechts folgt daraus, dass jedenfalls die Festlegung der grundlegenden, grundrechtsrelevanten Merkmale wie Steuerschuldner, Steuergegenstand, Bemessungsgrundlage und Steuersatz dem Parlamentsvorbehalt unterliegen (BFH v. 16.11.2011, X R 18/09, BStBl II 2012, 129).
Tz. 14
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vorläufig frei
III. Autonome Satzungen
Tz. 15
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Satzungen sind Gesetze im materiellen Sinn, die von öffentlich-rechtlichen Körperschaften zur Regelung ihrer Selbstverwaltungsangelegenheiten erlassen werden (vgl. z. B. BFH, v. 17.12.2015, V R 45/14, BStBl II 2017, 658). Im Steuerrecht sind v.a. die kommunalen Satzungen zur Erhebung der örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern von Bedeutung (s. § 1 AO Rz. 10). Die Satzungsbefugnis der Gemeinden folgt aus der in Art. 28 Abs. 2 GG garantierten kommunalen Selbstverwaltungshoheit; die für die Erhebung von Steuern erforderliche gesetzliche Grundlage ergibt sich aus den KAG der Länder (s. § 1 AO Rz. 31; s. § 3 AO Rz. 9).
Tz. 16
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vorläufig frei
IV. Gewohnheitsrecht
Tz. 17
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Gewohnheitsrecht ist auch eine Rechtsquelle und entsteht, wenn bestimmte ungeschriebene Regeln über einen längeren Zeitraum befolgt werden (consuetudo) und nach der allgemeinen Überzeugung der nach Sachkunde und Interesse zu bestimmenden beteiligten Kreise als verbindliches Recht betrachtet werden (communis opinio iuris; z. B. BVerfG v. 15.01.2009, 2 BvR 2044/07, BVerfGE 122, 248). Wegen des Vorbehalts des Gesetzes, der im Steuerrecht eine besondere Bedeutung hat, kommt jedenfalls eine Begründung oder Verschärfung von Steuertatbeständen durch Gewohnheitsrecht nicht in Betracht (Drüen in Tipke/Kruse, § 4 AO Rz. 104; Wernsmann in HHSp, § 4 AO Rz. 703; Neuman...